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I. Arbeitshypothesen zum gegenwrtigen Wandel der Wissensordnung






Zunchst mchte ich eine Globalthesezusammenfassen, mit der die erforderliche Ursachen und Folgendiskussion aber erst erffnet wird.

Teils schon der bereits im 19. Jahrhundert einsetzende bergang von der Reinen Wissenschaft der Theorie zur Angewandten Wissenschaft der Praxis und Realisierten Wissenschaft der Technik; dazu der im 20. Jahrhundert voll einsetzende Brokratisierungs-, Technisierungs-, Informatisierungs und Kommerzialisierungsprozeauch der bislang davon ausgenommenen Wissensbereiche, flankiert von hier nicht diskutierten geistigen, sozialen und kulturellen Entwicklungen in der Gegenwart, schaffen neue Erkenntnisstile, Wissensarten, Wissenslagen im wissenschaftlichen und auerwissenschaftlichen Bereich.

Diese Entwicklungen bewirken einen tiefgreifenden Wandel der Wissensordnung, den wir erst allmhlich in seinen Auswirkungen erkennen und auf den wir bislang nur reagieren, zum Beispiel mit darauf gar nicht geeichter Technikfolgenforschung oder mit einer viel zu eng angesetzten Datenschutzdiskussion. Es kommt darauf an, dem Wandel der Wissensordnung auf breiter Front mit angemessenen und ausgearbeiteten philosophischen, politischen und auch technischen Konzepten schpferisch zu begegnen, im Hinblick auf die erforderlichen Ordnungsmanahmen.

Im Schnittpunkt dieser Entwicklungen liegt die hier erluterte Wissensordnung, in der sich die Kernproblematik bndelt, die Einzelprobleme lokalisieren und wenn berhaupt, dann hier lsen lassen. Das mindeste, was man mit aller Vorsicht zugunsten dieses Konzepts sagen kann, ist die Erwartung, da im ordnungspolitischen Rahmen gem der bereits skizzierten dreigeschossigen Architektur mit konstitutiven, regulativen und implementativen Bauteilen die komplexen Problemlagen ordnungstheoretisch durchsystematisiert, interdisziplinr bearbeitet und ffentlich diskutiert werden knnen.

Fr die Weiterarbeit knnen folgende Arbeitshypothesen aufgestellt werden:

(1) Technisierung und/oder Kommerzialisierung grerer Informationsbereiche schaffen neue Bedingungen, aber noch keine neue Wissensordnung.

Die Technik allen voran die Informations und Kommunikationsstechniken, gefolgt und teils berholt von den Biotechniken fhrt zwar zum weitgehenden Wegfall der Geschftsgrundlage fr die berkommende Wissensordnung, nicht aber zu ihrem wohlgeordneten Neuaufbau. Die enorm gesteigerten Mglichkeiten und unbestreitbaren Errungenschaften der modernen Wissenstechniken sind nicht die Lsung, sondern das Problem, dessen umfassende Regelung noch aussteht.

(2) Was sich beim jetzigen Stand der Dinge daraus ergeben hat, ist eine sozusagen naturwchsige Wissens-Unordnung, die fr die Zukunft erst zu gestalten ist: rechtlich, wirtschaftlich, technisch, politisch, vor allem aber ordnungsmig!

Das gilt nicht nur fr die sogenannte Weltinformationsordnung, welche beim bisherigen Stand der Dinge eine naturwchsige militrisch-politische Machtordnung ist und ohne weltweite Ordnungspolitik im hier gemeinten Sinne nie etwas anderes sein wird. Die Frage ist, ob angesichts der hier noch vllig fehlenden Abkopplungen von der politischen, konomischen und militrischen berordnung der Staatsrson mit ihren Macht und Sicherheitsinteressen die internationale Weltinformationsordnung je die Sonderstellung von intranationalen, regionalen, kulturellen Wissensordnungen erreichen kann. Die Aufgabe der Neuordnung bleibt bis jetzt dem teilweise vorbildlichen, in herausgegriffenen Einzelfragen zum Beispiel des Datenschutzes Rechtsdenken berlassen und somit ordnungspolitisches Flickwerk, wenn man an die vielen nicht rechtsfrmig darstellbaren und lsbaren Probleme denkt. Auch das ansonsten hochentwickelte ordnungspolitische Denken der konomie hat sich im Hinblick auf den Informationssektor bislang nur der Wettbewerbsordnung auf Wissensmrkten angenommen und die weitere, wichtigere Wissensordnung strflich vernachlssigt.

(3) Im Rahmen der gesamten Gesellschaftsordnung, verdient heutzutage die Wissensordnung dieselbe Aufmerksamkeit in Wissenschaft, Politik und Publikum wie alle anderen Teilordnungen.

So wenig Wissen lediglich ein Gut ist wie andere Gter auch, so wenig ist die Wissensordnung ein Bestandteil oder Ausflu der Wirtschaftsordnung mit weitgehender Ausnahme des vollkommerzialisierten Bereichs der Massenkommunikation. Dasselbe gilt im Verhltnis zur Rechtsordnung und zu den sonstigen Teilordnungen der Gesellschaft. Neben allen anderen Ordnungen gewinnt die Wissensordnung zunehmend an Bedeutung, auch fr die Kulturpolitik. Das ndert nichts an den durch das rechtliche Legalitts und durch das konomische Realittsprinzip geschaffenen Machtverhltnissen zwischen den drei Ordnungen. Diese praktische Abhngigkeit der Wissensordnung steht ihrer theoretischen Eigenstndigkeit nur dann entgegen, wenn man einen Krieg der Ordnungen versuchte. Besser sind verbundene Bemhungen um die Weiterentwicklung aller drei Ordnungen, die allerdings zur Verdrngungskonkurrenz in Teilbereichen fhren kann. Das sind die Zentren der knftigen Konflikte um die ordnungspolitischen Weichenstellungen.


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