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Die Harzreise. Je tiefer wir hinabstiegen, desto lieblicher rauschte das unterirdische Gewässer, nur hier und da






(Auszug)[3]

 

Je tiefer wir hinabstiegen, desto lieblicher rauschte das unterirdische Gewä sser, nur hier und da, unter Gestein und Gestrippe, blinkte es hervor und schien heimlich zu lauschen, ob es ans Licht treten dü rfe, und endlich kam eine kleine Welle entschlossen hervorgesprungen. Nun zeigt sich die gewö hnliche Erscheinung: ein Kü hner macht den Anfang, und der groß e Troß der Zagenden wird plö tzlich, zu seinem eigenen Erstaunen, von Mut ergriffen und eilt, sich mit jenem ersten zu vereinigen. Eine Menge anderer Quellen hü pften jetzt hastig aus ihrem Versteck, verbanden sich mit der zuerst hervorgesprungenen, und bald bildeten sie zusammen ein schon bedeutendes Bä chlein, das in unzä hligen Wasserfä llen und in wunderlichen Windungen das Bergtal hinabrauscht. Das ist nun die Ilse, die liebliche, sü ß e Ilse. Sie zieht sich durch das gesegnete Ilsetal, an dessen beiden Seiten sich die Berge allmä hlich hö her erheben, und diese sind, bis zu ihrem Fuß e, meistens mit Buchen, Eichen und gewö hnlichem Blattgesträ uche bewachsen, nicht mehr mit Tannen und anderm Nadelholz. Denn jene Blä tterholzart wird vorherrschend auf dem «Unterharze», wie man die Ostseite des Brockens nennt, im Gegensatz zur Westseite desselben, die der «Oberharz» heiß t und wirklich viel hö her ist und also auch viel geeigneter zum Gedeihen der Nadelhö lzer.

Es ist unbeschreibbar, mit welcher Frö hlichkeit, Naivetä t und Anmut die Ilse sich hinunterstü rzt ü ber die abenteuerlich gebildeten Felsstü cke, die sie in ihrem Laufe findet, so daß das Wasser hier wild emporzischt oder schä umend ü berlä uft, dort aus allerlei Steinspalten, wie aus tollen Gieß kannen, in reinen Bö gen sich ergieß t und unten wieder ü ber die kleinen Steine hintrippelt, wie ein munteres Mä dchen. Ja, die Sage ist wahr, die Ilse ist eine Prinzessin, die lachend und blü hend den Berg hinablä uft. Wie blinkt im Sonnenschein ihr weiß es Schaumgewand! Wie flattern im Winde ihre silbernen Busenbä nder! Wie funkeln und blitzen ihre Diamanten! Die hohen Buchen stehen dabei gleich ernsten Vä tern, die verstohlen lä chelnd dem Mutwillen des lieblichen Kindes zusehen; die weiß en Birken bewegen sich tantenhaft vergnü gt und doch zugleich ä ngstlich ü ber die gewagten Sprü nge; der stolze Eichbaum schaut drein wie ein verdrieß licher Oheim, der das schö ne Wetter bezahlen soll; die Vö gelein in den Lü ften jubeln ihren Beifall, die Blumen am Ufer flü stern zä rtlich: «Oh, nimm uns mit, nimm uns mit, lieb Schwesterchen!» – aber das lustige Mä dchen springt unaufhaltsam weiter, und plö tzlich ergreift sie den trä umenden Dichter, und es strö mt auf mich herab ein Blumenregen von klingenden Strahlen und strahlenden Klä ngen, und die Sinne vergehen mir vor lauter Herrlichkeit, und ich hö re nur noch die flö tensü ß e Stimme

[…]

Unendlich selig ist das Gefü hl, wenn die Erscheinungswelt mit unserer Gemü tswelt zusammenrinnt und grü ne Bä ume, Gedanken, Vö gelgesang, Wehmut, Himmelsblä ue, Erinnerung und Krä uterduft sich in sü ß en Arabesken verschlingen. Die Frauen kennen am besten dieses Gefü hl, und darum mag auch ein so holdselig unglä ubiges Lä cheln um ihre Lippen schweben, wenn wir mit Schulstolz unsere logischen Taten rü hmen, wie wir alles so hü bsch eingeteilt in objektiv und subjektiv, wie wir unsere Kö pfe apothekenartig mit tausend Schubladen versehen, wo in der einen Vernunft, in der andern Verstand, in der dritten Witz, in der vierten schlechter Witz und in der fü nften gar nichts, nä mlich die Idee, enthalten ist.

Wie im Traume fortwandelnd, hatte ich fast nicht bemerkt, daß wir die Tiefe des Ilsetales verlassen und wieder bergauf stiegen. Dies ging sehr steil und mü hsam, und mancher von uns kam auß er Atem. Doch wie unser seliger Vetter, der zu Mö lln begraben liegt, dachten wir im voraus ans Bergabsteigen und waren um so vergnü gter. Endlich gelangten wir auf den Ilsenstein.

Das ist ein ungeheurer Granitfelsen, der sich lang und keck aus der Tiefe erhebt. Von drei Seiten umschließ en ihn die hohen, waldbedeckten Berge, aber die vierte, die Nordseite, ist frei, und hier schaut man das unten liegende Ilsenburg und die Ilse, weit hinab ins niedere Land. Auf der turmartigen Spitze des Felsens steht ein groß es, eisernes Kreuz, und zur Not ist da noch Platz fü r vier Menschenfü ß e.

Wie nun die Natur, durch Stellung und Form, den Ilsenstein mit phantastischen Reizen geschmü ckt, so hat auch die Sage ihren Rosenschein darü ber ausgegossen. Gottschalk berichtet: «Man erzä hlt, hier habe ein verwü nschtes Schloß gestanden, in welchem die reiche, schö ne Prinzessin Ilse gewohnt, die sich noch jetzt jeden Morgen in der Ilse bade; und wer so glü cklich ist, den rechten Zeitpunkt zu treffen, werde von ihr in den Felsen, wo ihr Schloß sei, gefü hrt und kö niglich belohnt!» Andere erzä hlen von der Liebe des Frä uleins Ilse und des Ritters von Westenberg eine hü bsche Geschichte, die einer unserer bekanntesten Dichter romantisch in der «Abendzeitung» besungen hat. Andere wieder erzä hlen anders: Es soll der altsä chsische Kaiser Heinrich gewesen sein, der mit Ilse, der schö nen Wasserfee, in ihrer verzauberten Felsenburg die kaiserlichsten Stunden genossen. Ein neuerer Schriftsteller, Herr Niemann, Wohlgeb., der ein Harzreisebuch geschrieben, worin er die Gebirgshö hen, Abweichungen der Magnetnadel, Schulden der Stä dte und dergleichen mit lö blichem Fleiß e und genauen Zahlen angegeben, behauptet indes: «Was man von der schö nen Prinzessin Ilse erzä hlt, gehö rt dem Fabelreiche an.» So sprechen alle diese Leute, denen eine solche Prinzessin niemals erschienen ist, wir aber, die wir von schö nen Damen besonders begü nstigt werden, wissen das besser. Auch Kaiser Heinrich wuß te es. Nicht umsonst hingen die altsä chsischen Kaiser so sehr an ihrem heimischen Harze. Man blä ttere nur in der hü bschen «Lü neburger Chronik», wo die guten alten Herren in wunderlich treuherzigen Holzschnitten abkonterfeit sind, wohlgeharnischt, hoch auf ihrem gewappneten Schlachtroß, die heilige Kaiserkrone auf dem teuren Haupte, Zepter und Schwert in festen Hä nden; und auf den lieben, knebelbä rtigen Gesichtern kann man deutlich lesen, wie oft sie sich nach den sü ß en Herzen ihrer Harzprinzessinnen und dem traulichen Rauschen der Harzwä lder zurü cksehnten, wenn sie in der Fremde weilten, wohl gar in dem zitronen- und giftreichen Welschland, wohin sie und ihre Nachfolger so oft verlockt wurden von dem Wunsche, rö mische Kaiser zu heiß en, einer echtdeutschen Titelsucht, woran Kaiser und Reich zugrunde gingen.

Ich rate aber jedem, der auf der Spitze des Ilsensteins steht, weder an Kaiser und Reich noch an die schö ne Ilse, sondern bloß an seine Fü ß e zu denken. Denn als ich dort stand, in Gedanken verloren, hö rte ich plö tzlich die unterirdische Musik des Zauberschlosses, und ich sah, wie sich die Berge ringsum auf die Kö pfe stellten und die roten Ziegeldä cher zu Ilsenburg anfingen zu tanzen und die grü nen Bä ume in der blauen Luft herumflogen, daß es mir blau und grü n vor den Augen wurde und ich sicher, vom Schwindel erfaß t, in den Abgrund gestü rzt wä re, wenn ich mich nicht, in meiner Seelennot, ans eiserne Kreuz festgeklammert hä tte. Daß ich, in so miß licher Stellung, dieses letztere getan habe, wird mir gewiß niemand verdenken.

 

 


[1] S. 247-250 entnommen: Heine, H. Die Harzreise // Heines Werke in funf Banden. – Berlin und Weimer: Aufbau-Verlag, 1970. – Zweiter Band 1970. – S. 209-277.

[2] S. 250-253 entnommen: Heine, H. Die Harzreise // Heines Werke in fü nf Banden. – Berlin und Weimer: Aufbau-Verlag, 1970. – Zweiter Band 1970. – S. 209-277.

[3] S. 269-273 entnommen: Heine, H. Die Harzreise // Heines Werke in fü nf Banden. – Berlin und Weimer: Aufbau-Verlag, 1970. – Zweiter Band 1970. – S. 209-277.


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