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Einsamkeit und Freiheit
Humboldt stellt das Leben an einer Universitä t eine grundsä tzlichgleichberechtigt- Gelehrtengesellschaft von Professoren und Studenten dar, die auf der selbstä ndig- und einsam- Lern- und Forschungstä tigkeit beider beruht. Im Prinzip kann die wissenschaftliche Tä tigkeit des Professors und des Studenten nicht unterschieden werden: Beid- werden als selbstä ndig- Individuen in sittlich- und geistig- Vervollkommnung vorgestellt, die durch ihr wissenschaftlich- Suchen sich selbst immer mehr zur Individualitä t steigern. Daher kommt es Humboldt gar nicht auf das Maß an Wissen an, das jemand beherrscht, sondern auf diese Einstellung des wissenschaftlichen Suchens, auf den Drang zum Wissen, zur Erkenntnis, zur Wahrheit, darauf eben, dass man die Wissenschaft immer als ein noch nicht ganz- aufgelö st- Problem behandeln und daher immer im Forschen bleiben mü sse. Dieser Erkenntnisdrang aber kann und soll grundsä tzlich bei Professoren und Studenten gleichmä ß ig- vorhanden sein; er soll das sie auch sozial- Verbindend- darstellen, und diese Einheit und Gleichheit des Erkenntnisstrebens muss auch institutionell- die Grundlage der Universitä tsorganisation bilden. Man muss Humboldt ernst nehmen, wenn er sagt, dass bei der Organisation der hö her- wissenschaftlich- Anstalten alles darauf beruht, das Prinzip zu erhalten, die Wissenschaft als etwas noch nicht Gefunden- und nie ganz Aufzufindend- zu betrachten und unablä ssig- sie als solche zu suchen. Dieser Wissenschaftsbegriff fü hrt zu der Konsequenz, dass in der Universitä t die Professoren und Studenten organisatorisch und sozial grundsä tzlich- als gleichrangig- zu behandeln sind, d. h. ihnen institutionell die gleich- Lebensform zu bieten und zu sichern ist. Damit vollzieht Humboldt auch im Organisatorisch- der Universitä t die Abkehr von einem alt- Wissenschaftsbegriff, der in irgendein- Form von dem „Besitz der Wahrheit“ bei den Lehrend- ausging und diese damit den Lernend- gegenü ber in eine grundsä tzlich- sozial- und organisatorisch- Vorrangstellung brachte. Was in den verschieden- traditionell- Formen der Wissensvermittlung den Priester vom Laien, den Lehrer vom Schü ler, den Meister vom Lehrling, den Gebend- in der Tradition vom Nehmend-, den Anerkannt- und Besitzend- vom Anfä nger und „Armen“ in der Wahrheit schied, wird in dieser Universitä tsorganisation grundsä tzlich aufgehoben: die Vorrangstellung und die unmittelbar- Funktion des Lehrers. Humboldt begreift die Universitä t als die Emanzipation vom eigentlich- Lehren, da der Universitä tslehrer nur von fern das eigen- Lernen der Studenten leitet. Diese Forderung der „Emanzipation vom eigentlich- Lehren“ setzt die Universitä t natü rlich vor all- von der Schule ab, ist aber bei Humboldt sehr rigoros gemeint: Jede Art der Verschulung der Universitä t verstö ß t fü r ihn fundamental gegen den Geist der Wissenschaft und gegen die grundsä tzlich- bei Professoren und Studenten gleichartig- Lebensform des einsam und selbstä ndig Lernend-. Die Lernfreiheit, nicht die Lehrfreiheit, ist daher das primä r-, Professoren und Studenten in sozial- Gleichheit vereinende, sozial- Grundgesetz der Humboldtschen Universitä t. Wä hrend die Lehrfreiheit der Universitä t zumeist nur von auß en bedroht werden kann, ist die Lernfreiheit also ein Grundrecht der Universitä t, das von innen her dauernd- gefä hrdet- ist und von Professoren und Studenten sozusagen gegenseitig verteidigt werden muss. Als die den Professoren und Studenten gemeinsam- Lebensform, aus der auch zugleich die ganz- ä uß er- Organisation der Universitä ten fließ en mü sse, hat Humboldt eine Existenz in „Einsamkeit und Freiheit“ genannt.
(nach: Schelsky, Einsamkeit und Freiheit)
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