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London, 14. Mai 1602 19 ñòðàíèöà






»Ihr seid verletzt, Sir«, rief der mü rrische Sekretä r erschrocken, womit er mir die Worte aus dem Mund nahm. (Okay, ohne das Sir. Und ohne das»Ihr«.)»Ich werde einen Arzt rufen lassen! «

»Nein«, sagte Gideon und dabei wirkte er so selbstsicher, dass ich ihn am liebsten geohrfeigt hä tte.»Das ist nicht mein Blut. Jedenfalls nicht alles. Komm, Gwen, wir mü ssen uns beeilen. Ich bin ein bisschen aufgehalten worden.«

Er griff nach meiner Hand und zog mich vorwä rts und der Sekretä r folgte uns bis hinunter zur Treppe, wobei er ein paar Mal»Aber Sir! Was ist denn passiert? Sollten wir nicht den Marquis...? «stammelte. Aber Gideon erwiderte, dafü r sei jetzt keine Zeit und er wü rde den Grafen so schnell wie mö glich wieder aufsuchen, um ihm Bericht zu erstatten.

»Von hier aus gehen wir allein weiter«, sagte er, als wir am Fuß der Treppe angelangt waren, wo die beiden Wachen mit blank gezogenen Degen standen.»Bitte entrichtet dem Marquis meine Empfehlungen! Qui nescit dissimulare nescit regnare.«

Die beiden Wä chter gaben den Weg frei und der Sekretä r verbeugte sich zum Abschied. Gideon nahm eine Fackel aus ihrer Halterung und zog mich weiter vorwä rts.»Komm, wir haben hö chstens noch zwei Minuten! «Immer noch wirkte er ganz aufgekratzt.»Weiß t du mittlerweile, was die Parole bedeutet? «

»Nein«, sagte ich und wunderte mich selbst, dass mein in Windeseile nachgewachsenes Herz sich weigerte, wieder zurü ck in die Schlucht zu fallen. Es tat einfach so, als wä re alles in Ordnung, und die Hoffnung, es kö nne am Ende recht haben, brachte mich beinahe um.»Dafü r habe ich etwas anderes herausgefunden. Wessen Blut ist das auf deinen Sachen? «

»Wer nicht zu heucheln weiß, der weiß auch nicht zu herrschen.« Gideon leuchtete mit der Fackel um die letzte Ecke.»Ludwig der Elfte.«

»Wie passend«, sagte ich.

»Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie der Kerl hieß, dessen Blut mir die Klamotten versaut hat. Madame Rossini wird sicher schimpfen.«Gideon drü ckte die Tü r zum Labor auf und steckte die Fackel in eine Halterung an der Wand.

Das flackernde Licht beleuchtete einen groß en Tisch voller seltsamer Apparate, glä serner Flaschen, Flä schchen und Becher, gefü llt mit Flü ssigkeiten und Pulvern in unterschiedlichen Farben. Die Wä nde lagen im Schatten, aber ich konnte sehen, dass sie beinahe flä chendeckend bemalt und beschrieben waren, und gleich ü ber der Fackel grinste ein grob gezeichneter Totenkopf mit Drudenfü ß en anstelle der Augenhö hlen.

»Komm hierhin«, sagte Gideon und zog mich auf die andere Seite des Tisches. Endlich ließ er meine Hand los. Aber nur um beide Hä nde um meine Taille zu legen und mich an sich zu ziehen.»Wie war dein Gesprä ch mit dem Grafen? «

»Es war sehr... aufschlussreich«, sagte ich. Das Phantomherz in meiner Brust flatterte wie ein kleiner Vogel und ich schluckte den Kloß in meiner Kehle hinunter.»Der Graf hat mir erklä rt, dass du... dass du und er die bizarre Ansicht teilt, eine verliebte Frau sei leichter zu kontrollieren als eine andere. Es muss ä rgerlich gewesen sein, die ganze anstrengende Vorarbeit bei Charlotte geleistet zu haben und dann bei mir noch einmal ganz von vorne anfangen zu mü ssen, oder? «

»Was sagst du da? «Gideon starrte mich mit gerunzelter Stirn an.

»Du hast das aber wirklich gut gemacht«, fuhr ich fort.»Das findet der Graf im Ü brigen auch. Natü rlich war ich kein besonders schwieriger Fall... Gott, ich schä me mich so, wenn ich daran denke, wie leicht ich es dir gemacht habe.«Ich konnte ihn nicht mehr ansehen.

»Gwendolyn...«Er unterbrach sich.»Es geht gleich los.

Vielleicht sollten wir das Gesprä ch lieber nachher weiterfü hren. In Ruhe. Ich hab zwar noch keinen Schimmer, worauf du hinauswillst...«

»Ich will nur wissen, ob das wahr ist«, sagte ich. Natü rlich war es wahr, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. In meinem Magen kü ndigte sich der bevorstehende Zeitsprung an.»Ob du wirklich geplant hast, mich in dich verliebt zu machen, genauso wie du es vorher mit Charlotte getan hast.«

Gideon ließ mich los.»Das ist ein blö der Augenblick«, sagte er.»Gwendolyn. Wir reden gleich darü ber. Ich verspreche es dir.«

»Nein! Jetzt! «Der Knoten in meinem Hals platzte und meine Trä nen begannen zu fließ en.»Es reicht, wenn du Ja oder Nein sagst! Hast du das alles geplant? «

Gideon rieb sich ü ber seine Stirn.»Gwen...«

»Ja oder nein? «, schluchzte ich.

»Ja«, sagte Gideon.»Aber bitte - hö r auf zu weinen.«

Und zum zweiten Mal an diesem Tag fiel mein Herz - diesmal nur die zweite Ausgabe, das Phantomherz, das vor lauter Hoffnung nachgewachsen war - ü ber die Klippe und zerschellte am Grund der Schlucht zu Tausenden von winzig kleinen Splittern.»Okay, das war eigentlich alles, was ich wissen wollte«, flü sterte ich.»Danke fü r deine Ehrlichkeit.«

»Gwen. Ich mö chte dir gern erklä ren...«Vor meinen Augen lö ste Gideon sich in Luft auf. Ein paar Sekunden lang, wä hrend die Kä lte zurü ck in meinen Kö rper kroch, starrte ich in das flackernde Licht der Fackel und auf den Totenkopf darü ber und versuchte, meine Trä nen zurü ckzudrä ngen, dann verschwamm alles vor meinen Augen.

Ich brauchte ein paar Sekunden, um mich an das Licht im Chronografenraum meiner Zeit zu gewö hnen, aber ich hö rte Dr. Whites aufgeregte Stimme und das Reiß en von Stoff.

»Es ist nichts«, sagte Gideon.»Nur ein winziger Schnitt, es hat kaum geblutet. Dafü r brauche ich nicht mal ein Pflaster. Dr. White - Sie kö nnen Ihre Adernklemmen weglegen! Es ist gar nichts passiert! «

»Hallo Heuhaufenmä dchen«, begrü ß te mich Xemerius.»Du wirst nie raten, was wir herausgefunden haben! Oh nein! Hast du etwa schon wieder geweint? «

Mr George packte mich mit beiden Hä nden und drehte mich einmal um die eigene Achse.»Sie ist unverletzt! «, sagte er mit Erleichterung in der Stimme.

Ja. Wenn man mal von meinem Herzen absah.

»Lass uns hier abhauen«, sagte Xemerius.»Torfkopfs Bruder und deine Freundin Leslie haben dir nä mlich eine hochinteressante Mitteilung zu machen! Stell dir mal vor, sie haben herausgefunden, welche Stelle die Koordinaten aus dem Code des Grü nen Reiters bezeichnen. Du wirst es nicht glauben! «

»Gwendolyn? «Gideon sah mich an, als habe er Angst, ich kö nne mich seinetwegen vor den nä chsten Bus werfen.

»Es ist alles in Ordnung«, sagte ich, ohne ihm in die Augen zu schauen.»Mr George, kö nnen Sie mich bitte nach oben bringen? Ich muss wirklich dringend nach Hause.«

»Natü rlich.«Mr George nickte.

Gideon machte eine Bewegung, aber Dr. White hielt ihn fest.»Wirst du wohl stillhalten! «Er hatte Gideons Jackenä rmel und den des daruntergetragenen Hemdes komplett abgerissen. Der Arm war blutverkrustet und oberhalb davon, schon beinahe an der Schulter, war eine kleine Schnittwunde zu sehen. Der kleine Geistjunge Robert starrte ganz entsetzt auf das viele Blut.

»Wer war das? Das muss desinfiziert und genä ht werden«, sagte Dr. White finster.

»Auf keinen Fall«, sagte Gideon. Er war blass geworden und von seiner Aufgekratzheit war nichts mehr ü brig geblieben.»Das kö nnen wir spä ter machen. Ich muss erst mit Gwendolyn reden.«

»Das ist wirklich nicht nö tig«, sagte ich.»Ich weiß alles, was ich wissen muss. Und jetzt muss ich nach Hause.«»Allerdings! «, sagte Xemerius.

»Morgen ist auch noch ein Tag«, sagte Mr George zu Gideon, wä hrend er nach dem schwarzen Tuch griff.»Und Gwendolyn sieht mü de aus. Sie muss frü h zur Schule.«

»Genau! Und heute Nacht noch wird sie auf Schatzsuche gehen«, sagte Xemerius.»Oder was auch immer sich bei diesen Koordinaten finden wird...«

Mr George verband mir die Augen. Das Letzte, was ich sah, waren Gideons Augen, die unnatü rlich grü n in seinem blassen Gesicht leuchteten.

»Gute Nacht, zusammen«, sagte ich noch, dann hatte Mr George mich aus dem Raum gefü hrt. Auß er dem kleinen Robert hatte mir sowieso niemand geantwortet.

»Okay, ich will es nicht so spannend machen«, sagte Xemerius.»Leslie und Raphael hatten viel Spaß heute Nachmittag - anders als du, wie es aussieht. Na, wie auch immer, den beiden ist es gelungen, die Koordinaten ganz genau zu bestimmen. Und jetzt darfst du dreimal raten, wo sie sich befinden.«

»Hier in London? «, fragte ich.

»Bingo! «, rief Xemerius.

»Wie bitte? «, fragte Mr George.

»Nichts«, sagte ich.»Entschuldigen Sie bitte, Mr George.«

Mr George seufzte.»Ich hoffe, dein Gesprä ch mit dem Grafen von Saint Germain ist gut verlaufen.«

»Oh ja«, sagte ich bitter.»Es war in jeder Hinsicht sehr aufschlussreich.«

»Hallo! Ich bin auch noch da«, rief Xemerius und ich spü rte seine feuchte Aura, als er sich wie ein Ä ffchen um meinen Hals klammerte.»Und ich habe wirklich, wirklich interessante Neuigkeiten. Also: Das Versteck, das wir suchen, liegt hier in London. Und es kommt noch besser: Es liegt nä mlich in Mayfair. Noch genauer: im Bourdon Place. Und noch genauer: Bourdon Place Nummer 81! Na, was sagst du? «

Bei mir zu Hause? Die Koordinaten bezeichneten einen Platz in unserem eigenen Haus? Was um Himmels willen wü rde mein Groß vater dort versteckt haben? Vielleicht ein weiteres Buch? Eins mit Aufzeichnungen, die uns endlich weiterhelfen konnten?

»Bis hierhin haben das Hundemä dchen und der Franzose ja gute Arbeit geleistet«, sagte Xemerius.»Zugegeben, von diesem Koordinatenzeugs hatte ich keine Ahnung. Aber jetzt -jetzt komme ich ins Spiel! Denn nur der einzigartige, wunderbare und ü beraus kluge Xemerius kann seinen Kopf in sä mtliche Mauern stecken und sehen, was sich dahinter oder dazwischen verbirgt. Heute Nacht gehen wir beide deshalb auf Schatzsuche! «

»Mö chtest du darü ber reden? «, fragte Mr George.

Ich schü ttelte den Kopf.»Nein, das hat Zeit bis morgen«, sagte ich und ich sagte es sowohl zu Mr George als auch zu Xemerius.

Heute Nacht wü rde ich nur wach liegen und meinem gebrochenen Herzen hinterherweinen. Ich wollte in Selbstmitleid und schwü lstigen Metaphern baden. Und vielleicht wü rde ich dazu Bon Jovi und Hallelujah hö ren. Jeder braucht schließ lich seinen eigenen Soundtrack fü r so einen Fall.

 

 


Epilog

London, 29. September 1782

 

Er landete mit dem Rü cken gegen die Mauer, legte die Hand an den Degengriff und sah sich um. Der Wirtschaftshof war menschenleer, wie Lord Alastair es versprochen hatte. Wä scheleinen waren von Wand zu Wand gespannt, die weiß en Laken, die ü ber ihnen hingen, bewegten sich sacht im Wind.

Paul blickte hinauf zu den Fenstern, in denen sich die Nachmittagssonne spiegelte. Auf einer Fensterbank lag eine Katze und beobachtete ihn spö ttisch, eine Pfote baumelte lä ssig ü ber die Kante. Sie erinnerte ihn an Lucy.

Er nahm die Hand vom Degengriff und schü ttelte die Spitzenbesä tze an seinen Handgelenken glatt. Diese Rokoko-Klamotten sahen in seinen Augen alle gleich aus, alberne Kniebundhosen, komische Jacken mit langen, unpraktischen Schö ß en, dazu ü berall Stickereien und Spitze - grauenhaft. Er hatte das Kostü m und die Perü cke anziehen wollen, die sie sich fü r die Besuche im Jahr 1745 hatten anfertigen lassen, aber Lucy und Lady Tilney hatten darauf bestanden, ein komplett neues Outfit schneidern zu lassen. Sie behaupteten, jeder wü rde ihn anstarren, wenn er im Jahr 1782 in Klamotten aus dem Jahr 1745 herumlaufen wü rde, und seine Argumente, von wegen, er wü rde sich doch nur kurz an einem abgeschiedenen Ort mit Lord Alastair treffen, um die Papiere auszutauschen, hatten sie einfach nicht gelten lassen. Er fasste mit der Hand zwischen Jacke und Hemd, wo die zusammengefalteten Kopien in einem braunen Umschlag lagen.»Sehr schö n - Ihr seid pü nktlich.«

Die kü hle Stimme ließ ihn herumfahren. Lord Alastair trat aus dem Schatten des Torbogens hervor, wie immer elegant gekleidet, wenn auch ä uß erst bunt und mit ü bertrieben viel Schmuck behä ngt und besteckt, der in der Sonne funkelte. Er wirkte wie ein Fremdkö rper zwischen den einfachen Bettlaken. Selbst der Griff des Degens schien aus purem Gold zu sein und war mit Edelsteinen verziert, was der Waffe ein harmloses und beinahe lä cherliches Aussehen verlieh.

Paul warf einen schnellen Blick durch den Torbogen, wo sich neben der Straß e grü ner Rasen bis hinunter zur Themse erstreckte. Das Schnauben von Pferden war zu hö ren, also nahm er an, dass Lord Alastair mit einer Kutsche gekommen war.

»Ihr seid allein? «, sagte Lord Alastair. Sein Tonfall war unbeschreiblich arrogant, auß erdem klang er wie jemand mit einer chronischen Nasenverstopfung. Er kam nä her.»Wie schade! Ich hä tte Eure hü bsche rothaarige Begleiterin gern wiedergesehen. Sie hatte so eine - ä h - ungewö hnliche Art, ihre Meinung zu ä uß ern.«

»Sie war nur enttä uscht, dass Ihr die Vorteile nicht genutzt habt, die Euch unsere letzten Informationen verschafft hatten. Und sie ist misstrauisch, was Ihr mit diesen hier anzufangen gedenkt.«

»Eure Informationen waren nicht vollstä ndig! «

»Sie waren vollstä ndig genug! Die Plä ne der florentinischen Allianz waren nicht ausreichend ü berdacht! In vierzig Jahren sind fü nf Anschlä ge auf den Grafen gescheitert und fü r zwei davon zeichnet Ihr hö chstpersö nlich verantwortlich! Beim letzten Mal - vor elf Jahren - scheint Ihr Euch so sicher zu sein! «

»Keine Sorge! Der nä chste Versuch wird nicht scheitern! «, sagte Lord Alastair.»Meine Vorfahren und auch ich haben bisher immer den Fehler gemacht, den sogenannten Grafen wie einen Menschen zu bekä mpfen. Wir haben versucht, ihn zu entlarven, zu diffamieren und seinen guten Ruf zu zerstö ren. Wir haben versucht, verirrten Seelen wie der Euren auf den richtigen Weg zurü ckzuhelfen, ohne zu begreifen, dass Ihr lä ngst alle durch das dä monische Blut verloren wart.«

Paul runzelte irritiert die Stirn. Aus dem salbungsvollen Gerede des Lords und dem der anderen Mä nner der florentinischen Allianz war er noch nie schlau geworden.

»Wir haben versucht, ihm wie einem gewö hnlichen Menschen mit Gift, Degenklingen und Pistolenkugeln beizukommen«, fuhr Lord Alastair fort.»Wie lä cherlich! «Er stieß ein heiseres Lachen aus.»Was wir auch taten, er schien uns stets einen Schritt voraus zu sein. Wohin wir auch kamen - er war immer schon vor uns dort. Er schien unbesiegbar. Ü berall hat er einflussreiche Freunde und Beschü tzer, die sich wie er in der schwarzen Magie auskennen. Die Mitglieder seiner Loge gehö ren zu den mä chtigsten Mä nnern unserer Zeit. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis ich begriffen habe, dass man einem Dä mon nicht mit menschlichen Methoden beikommen kann. Aber nun bin ich klü ger.«

»Freut mich zu hö ren«, sagte Paul und warf einen schnellen Blick zur Seite. Im Torbogen waren zwei weitere Mä nner erschienen, schwarz gekleidet, die Degen offen an ihrer Seite tragend. Verdammt! Lucy hatte recht behalten. Alastair dachte gar nicht daran, sein Wort zu halten.»Habt Ihr die Briefe? «

»Natü rlich«, sagte Lord Alastair, zog ein dickes Bü ndel Papier aus seiner Jacke, das mit einer roten Kordel zusammengehalten wurde.»Mittlerweile - und nicht zuletzt dank Euch und Euren vortrefflichen Informationen - ist es mir gelungen, einen guten Freund bei den Wä chtern einzuschleusen. Er versorgt mich jetzt schon tä glich mit wichtigen Neuigkeiten. Wusstet Ihr, dass der Graf zurzeit wieder einmal in der Stadt weilt? Ah, natü rlich wusstet Ihr es! «Er wog das Bü ndel in seiner Hand, dann warf er es Paul zu.

Paul fing es geschickt mit einer Hand auf.»Danke. Ihr habt sicher Abschriften davon erstellen lassen.«

»Das war nicht nö tig«, sagte der Lord arrogant.»Was ist mit Euch? Habt Ihr mir mitgebracht, wonach ich verlangt habe? «

Paul schob sich das Briefbü ndel in die Jacke und hielt den braunen Umschlag in die Hö he.»Fü nf Seiten Abstammungslisten der de Villiers, angefangen im 16. Jahrhundert, bei Lancelot de Villiers, dem ersten Zeitreisenden, bis hin zu Gideon de Villiers, geboren im 20. Jahrhundert.«

»Und die weibliche Linie? «, fragte Lord Alastair und jetzt klang er beinahe ein wenig aufgeregt.

»Ist ebenfalls alles hier drin. Beginnend bei Elaine Burghley bis hin zu Gwendolyn Shepherd.«Der Name versetzte Paul einen Stich. Er warf einen raschen Blick auf die beiden Mä nner. Sie waren unter dem Torbogen stehen geblieben, die Hä nde am Degengriff, als ob sie auf etwas warteten. Zä hneknirschend musste er sich eingestehen, dass er bereits ahnte, worauf.»Sehr gut. Dann gebt es mir! «

Paul zö gerte.»Ihr habt Euch nicht an unsere Abmachung gehalten«, sagte er, um Zeit zu gewinnen. Er zeigte auf die beiden Mä nner.»Ihr wolltet allein kommen.«

Lord Alastair folgte seinem Blick mit einem gleichgü ltigen Augenaufschlag.»Ein Gentleman meiner gesellschaftlichen Stellung ist niemals allein. Meine Diener begleiten mich stets ü berallhin.«Er trat noch einen Schritt vorwä rts.»Und jetzt gebt mir die Papiere! Um alles Weitere werde ich mich kü mmern.«

»Und wenn ich es mir anders ü berlege? «

»Mir persö nlich ist es ziemlich egal, ob ich diese Papiere aus Euren lebenden oder Euren toten Hä nden erhalte«, sagte der Lord und seine Hand legte sich auf den verzierten Degengriff.»Oder anders ausgedrü ckt: Ob ich Euch vor oder nach der Ü bergabe tö te, spielt keine Rolle.«

Paul fasste nach dem Knauf seines Degens.»Ihr habt einen Eid geschworen.«

»Pah«, rief Lord Alastair und zog seinen Degen.»Dem Teufel kommt man nicht mit moralischem Handeln bei! Her mit den Papieren! «

Paul trat zwei Schritte zurü ck und zog ebenfalls seine Waffe.»Sagtet Ihr nicht, mit gewö hnlichen Waffen sei uns nicht beizukommen? «, fragte er und zog so spö ttisch wie mö glich eine Augenbraue in die Hö he.

»Das wird sich jetzt zeigen«, sagte der Lord. »En garde, Dä mon! «

Paul hä tte gern noch weiter geredet, aber Lord Alastair schien nur auf die Gelegenheit gewartet zu haben. Mit einem Schritt war er heran, offenbar wild entschlossen, Paul zu tö ten. Dumm nur, dass das zusammen mit seinen brillanten Fechtkü nsten keine gute Kombination war.

Das zumindest wurde Paul klar, als er sich nach weniger als zwei Minuten mit dem Rü cken zur Mauer wiederfand. Er hatte die Angriffe so gut es ging pariert, war unter den Laken hindurchgetaucht und hatte seinerseits versucht, den Lord in die Enge zu treiben. Vergeblich.

Die Katze sprang mit einem Fauchen von der Fensterbank und flü chtete durch den Torbogen. Hinter den Fenstern blieb alles still. Verdammt! Warum hatte er nicht auf Lucy gehö rt? Sie hatte ihn eindringlich gebeten, das Zeitfenster des Chronografen kleiner einzurichten. Dann hä tte er vielleicht lang genug durchhalten kö nnen, um sich vor den Augen des Lords in Luft aufzulö sen.

Alastairs Waffe blitzte in der Sonne auf. Sein nä chster Hieb war so heftig, dass Paul fast der Degen aus der Hand gefallen wä re.

»Wartet! «, rief er, wobei er mehr keuchte, als er gemusst hä tte.»Ihr habt gewonnen! Ich gebe Euch die Papiere.«

Lord Alastair ließ seinen Degen sinken.»Sehr vernü nftig.«

Scheinbar schwer atmend stü tzte Paul sich an der Mauer ab und warf Lord Alastair den braunen Umschlag zu. Im gleichen Augenblick stü rzte er sich hinterher, aber Lord Alastair schien darauf vorbereitet gewesen zu sein. Er ließ den Umschlag auf den Boden fallen und parierte Pauls Angriff mit Leichtigkeit.

»Ich durchschaue jede Dä monenlist! «, rief er und lachte dabei.»Aber nun will ich sehen, welche Farbe Euer Blut hat! «Er machte einen raffinierten Ausfallschritt und Paul spü rte, wie Lord Alastairs Klinge seinen Jackenä rmel und die Haut darunter aufschlitzte. Warmes Blut lief ihm den Arm hinunter. Es tat nicht besonders weh, also vermutete er, dass es bei einem leichten Kratzer geblieben war, aber das hä mische Grinsen seines Gegners und die Tatsache, dass Alastair kaum auß er Atem zu sein schien, wä hrend er selber keuchend nach Luft schnappte, stimmten ihn wenig optimistisch.

»Worauf wartet ihr? «, rief Lord Alastair den beiden Lakaien ü ber seine Schulter zu.»Wir dü rfen ihm keine Zeit mehr lassen! Oder wollt ihr, dass er sich vor unseren Augen in Luft auflö st, wie eure letzten Gegner? «

Die schwarz gekleideten Mä nner reagierten unverzü glich. Als sie zwischen den Bettlaken hindurch auf ihn zukamen, wusste Paul, dass er verloren hatte. Wenigstens war Lucy in Sicherheit, schoss es ihm durch den Kopf. Wä re sie mitgekommen, mü sste sie nun mit ihm sterben.

»Sprecht Eure letzten Worte«, sagte Lord Alastair und Paul ü berlegte, den Degen sinken zu lassen, auf die Knie zu fallen und anzufangen zu beten. Vielleicht wü rde der fromme Lord dann aus Grü nden der Pietä t mit dem Ermorden noch ein wenig warten. Vielleicht wä re er aber auch schon tot, bevor er auf seinen Knien angekommen war.

In diesem Augenblick nahm er eine Bewegung hinter den Bettlaken wahr und einer von Lord Alastairs Mä nnern brach lautlos zusammen, ehe er sich ganz umgedreht hatte. Nach einer winzigen Schrecksekunde stü rzte sich der andere mit gezü cktem Degen auf den neuen Gegner, einen jungen Mann in einer grü nen Jacke, der nun hinter dem Laken hervortrat und den Angriff mit seinem Degen geradezu lä ssig parierte.

»Gideon de Villiers«, stieß Paul hervor, wä hrend er mit neuem Mut versuchte, Lord Alastairs Hiebe abzuwehren.»Ich hä tte nicht gedacht, dass ich mal so froh sein wü rde, dich zu sehen, Kleiner.«

»Eigentlich war ich nur neugierig«, sagte Gideon.»Ich sah die Kutsche mit Lord Alastairs Wappen auf der Straß e stehen und wollte mal nachschauen, was er in diesem verlassenen Hinterhof so macht...«

»Mylord, das ist dieser Dä mon, der Jenkins im Hyde Park getö tet hat! «, keuchte Lord Alastairs Mann.

»Tu, wofü r du bezahlt wirst«, fauchte ihn Lord Alastair an, wobei sich seine Krä fte zu verdoppeln schienen. Paul spü rte, wie er zum zweiten Mal getroffen wurde, am selben Arm, ein Stü ck weiter oben. Diesmal zuckte der Schmerz durch den ganzen Kö rper.

»Mylord...«Der Diener schien in Bedrä ngnis zu geraten.

»Ü bernimm diesen hier! «, rief Lord Alastair ä rgerlich.»Ich kü mmere mich um den anderen! «

Erleichtert schnappte Paul nach Luft, als der Lord von ihm abließ. Er warf einen kurzen Blick auf einen Arm - er blutete, aber noch konnte er den Degen halten.

»Wir kennen uns doch! «Lord Alastair stand nun Gideon gegenü ber, seine Degenklinge schimmerte dunkel von Pauls Blut.

»Richtig«, gab Gideon zurü ck und Paul bewunderte - etwas widerwillig - die Ruhe, die er ausstrahlte. Hatte der Kleine ü berhaupt keine Angst?»Vor elf Jahren, kurz nach Eurem gescheiterten Mordanschlag auf den Grafen von Saint Germain, trafen wir uns beim Fechttraining bei Galliano.«

»Marquis Welldone«, sagte der Lord verä chtlich.»Ich erinnere mich. Ihr ü berbrachtet mir eine Nachricht vom Teufel hö chstpersö nlich.«

»Ich ü berbrachte Euch eine Warnung, an die Ihr Euch leider nicht gehalten habt.«Die grü nen Augen glitzerten gefä hrlich.

»Dä monengezü cht! Ich wusste es gleich, als ich Euch sah. Und Eure Paraden waren zwar recht ordentlich, aber vielleicht erinnert Ihr Euch noch, dass ich unseren kleinen Trainingskampf gewann? «

»Ich erinnere mich gut«, erwiderte Gideon und schü ttelte die Spitzenbesä tze an seinen Handgelenken, als seien sie ihm lä stig.»So, als wä re es erst letzte Woche gewesen. Was es fü r mich auch war, wenn man es genau nimmt. En garde.«

Metall klirrte auf Metall, aber Paul konnte nicht sehen, wer die Oberhand gewann, denn nun hatte sich der verbliebene Diener wieder gefasst und kam mit gezü cktem Degen auf ihn zu.

Der Mann focht nicht so elegant wie sein Herr, aber sehr vehement und Paul spü rte, wie die Krä fte in seinem verletzten Arm, trotz der kleinen Verschnaufpause, schnell nachließ en.

Wann wü rde er denn endlich springen? Lange konnte es nicht mehr dauern! Er biss die Zä hne zusammen und machte den nä chsten Ausfallschritt. Mehrere Minuten lang sprach niemand etwas, nur Klirren und Keuchen waren zu hö ren, und dann sah Paul aus den Augenwinkeln, wie Lord Alastairs kostbarer Degen durch die Luft flog und mit einem dumpfen Schlag auf dem Pflaster landete. Gott sei Dank!

Der Diener sprang ein paar Schritte zurü ck.»Mylord? «

»Das war ein mieser Trick, Dä mon«, sagte der Lord zornig.»Gegen alle Regeln! Ich hatte den Treffer! «

»Ihr seid ein schlechter Verlierer, wie mir scheint«, erwiderte Gideon. Er blutete aus einer Wunde am Arm.

Lord Alastairs Augen glü hten vor Wut.»Tö tet mich, wenn Ihr es wagt! «

»Nicht heute«, sagte Gideon und schob seinen Degen zurü ck in seinen Gü rtel.

Paul sah die Kopfbewegung des Lords und er sah, wie der Diener seine Muskeln anspannte. Blitzschnell warf er sich dazwischen und parierte den Schlag, bevor die Degenspitze des Dieners zwischen Gideons Rippen dringen konnte. In derselben Sekunde hatte Gideon seinen Degen wieder gezogen und dem Mann in die Brust gestoß en. Das Blut sprudelte schwallweise aus der Wunde und Paul musste sich abwenden.

Lord Alastair hatte die Zeit genutzt, seinen Degen aufzuheben und damit den braunen Umschlag vom Pflaster zu spieß en. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und rannte durch den Torbogen davon.

»Feigling! «, rief Paul wü tend. Dann wandte er sich an Gideon.»Bist du verletzt, Kleiner? «

»Nein, nur ein Kratzer«, sagte Gideon.»Aber du siehst schlimm aus. Dein Arm! Das ganze Blut...«Er presste seine Lippen zusammen und hob seinen Degen.»Was waren das fü r Papiere, die du Lord Alastair gegeben hast? «

»Stammbä ume«, sagte Paul unglü cklich.»Ahnenreihen der mä nnlichen und der weiblichen Zeitreiselinien.«

Gideon nickte.»Ich wusste, dass ihr beide die Verrä ter seid. Aber ich dachte nicht, dass ihr so dumm sein wü rdet! Er wird versuchen, alle Nachfahren des Grafen zu tö ten! Und jetzt kennt er auch die Namen der weiblichen Linie. Wenn es nach ihm geht, werden wir niemals geboren werden.«

»Du hä ttest ihn tö ten sollen, als du die Gelegenheit dazu hattest«, sagte Paul bitter.»Er hat uns reingelegt. Hö r zu, ich habe nicht mehr viel Zeit, ich springe jeden Augenblick zurü ck. Aber es ist wichtig, dass du mir zuhö rst.«

»Das werde ich nicht tun! «Die grü nen Augen funkelten ihn zornig an.»Wenn ich gewusst hä tte, dass ich dich heute hier treffe, hä tte ich ein Reagenzglas mitgenommen...«

»Es war ein Fehler, uns mit der Allianz zu verbü nden«, sagte Paul hastig.»Lucy war von Anfang an dagegen. Aber ich dachte, wenn wir ihnen helfen, den Grafen unschä dlich zu machen...«Er griff sich an den Magen. Dabei stieß en seine Finger an das Pä ckchen mit den zusammengeschnü rten Briefen, das er in die Jacke gesteckt hatte.»Verdammt! Hier! Nimm das, Kleiner.«

Zö gernd nahm Gideon das Pä ckchen entgegen.»Hö r auf, mich Kleiner zu nennen. Ich bin einen halben Kopf grö ß er als du.«

»Es handelt sich um den Teil der Prophezeiungen, den der Graf den Wä chtern bisher vorenthalten hat. Es ist wichtig, dass du sie liest, bevor du auf die Idee kommst, gleich wieder zu deinem geliebten Grafen zu laufen und uns zu verpetzen. Scheiß e, Lucy wird mich umbringen, wenn sie das hö rt.«

»Wer garantiert mir, dass das keine Fä lschungen sind? «

»Lies sie einfach! Dann weiß t du, warum wir den Chronografen gestohlen haben. Und warum wir den Grafen daran hindern wollen, den Blutkreis zu schließ en.«Er schnappte nach Luft.»Gideon, du musst auf Gwendolyn aufpassen«, sagte er hastig.»Und du musst sie vor dem Grafen beschü tzen! «

»Ich wü rde Gwendolyn vor jedem beschü tzen! «In Gideons Augen blitzte es hochmü tig auf.»Aber ich wü sste nicht, was dich das angeht.«

»Das geht mich sehr wohl etwas an, Junge! «Paul musste sich zusammenreiß en, um nicht handgreiflich zu werden. Gott, wenn der Kleine nur einen blassen Schimmer hä tte!

Gideon verschrä nkte die Arme.»Wegen eures Verrates hä tten uns Alastairs Mä nner im Hyde Park neulich beinahe getö tet, Gwendolyn und mich! Du wirst mir also kaum weismachen kö nnen, dass dir etwas an ihrem Wohlergehen liegt.«


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