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Serdal Toluk ist wieder zurűck und berichtet von Problemen mit seiner Familie






Serdal Toluk war wieder zu Hause. Fű r Fatma hatte er einen kostbaren Teppich aus seinem Heimatort Amasya mitgebracht. „Yildiz, mein Tö chterchen, schau, was mir deine Grossmutter fű r dich mitgegeben hat." Er hielt ihr ein goldenes Kettchen mit einem Anhä nger entgegen. Yildiz hatte sich bisher im Hintergrund gehalten. Jetzt sah Serdal seine Tochter unglaubig an. „Was hast du mit dei-nem Haar gemacht? " Seine Hand umklammerte das Schmucksrű ck. „Bist du verrű ckt geworden? Allah, was bin ich gestraft mit solch einer Tochter! " Serdal Toluks Gesicht war ganz rot und er war nahe daran, Yildiz zu schlagen. Fatma nahm ihm das Schmuckstű ck aus der Hand. „Yildiz kann nichts dafű r", verteidigte sie ihre Tochter. „Ich wollte ihr Haar noch glanzender machen. Die Farbe war zu stark - ich musste ihr das Haar kurz schneiden..." Yildiz unterbrach ihre Mutter. „Wirklich, Papa, wir kö nnen froh sein, dass es noch so geworden ist. Es hat schrecklich ausgesehen. Ich habe fű rchterlich geheult. Aber es wachst bestimmt schnell wieder. Schimpf mich nicht noch aus, bitte." Yildiz legte einen Arm um den Hals ihres Vaters und schluchzte. Er ahnte naturlich nicht, dass sie aus einem ganz anderen Grund weinte. „Euch Frauen kann man wirklich nicht allein lassen", schimpfte er, „schon passiert was." Um ihn abzulenken, fragte Fatma ihn nach Amasya aus. Aber Serdal gab nur kurze Antworten. „Spä ter", sagte er, ging nach oben und verschwand im Bad. Fatma Toluk fragte nicht weiter. Aber sie ging ihm nach und sagte: „Wir haben heute Gű lgin und ihren Mann zum Essen da. 1st dir das recht? " Serdal brummte: „Ich lege mich erst mal eine Stunde hin."

Fatma Toluk hatte ein richtiges Festessen vorbereitet. Sie hatte sich schon gemacht und keiner ahnte, wie schwer es ihr fiel, die freundliche Gastgeberin zu spielen. Serdal war aber anscheinend nicht mehr argerlich. Er erzä hlte froh-lich von den Erlebnissen in der Heimat, bot den Gä sten Raki an und schenkte auch selbst ein. Dann lobte er das frische Fladenbrot. „Es schmeckt genau wie zu Hause. Meine Frau hat noch nichts verlernt", sagte er stolz. Fatma errotete. Sie servierte Keş kul, das Mandeldessert, das Serdal so gern ass, dann kochte sie fű r jeden Mokka.

Yildiz half ihrer Mutter, das Geschirr in die Kű che zu tragen und in die Spulmaschine zu rä umen. Fatma hö rte ihren Mann mit den Gä sten im Wohnzimmer lachen. Er wű rde nie auf den Gedanken kommen, dass hier etwas Fű rchterliches geschehen war, wahrend er in der Tű rkei seine Angelegenheiten erledigt hatte. Aber bei ihm war anscheinend auch nicht alles in Ordnung, das merkte sie, ohne dass sie ihn fragen musste.

Warum hat er die teure Kelimbrű cke mitgebracht?, fragte sie sich. Wenn wir doch zurű ckgehen, brauchen wir jede Mark. Ob Serdal das Grundstű ck in Amasya gekauft hatte? Sie trä umten von einem Haus am Fluss, vielen Apfel-baumen und dem Blick auf die Berge. Auch ein Geschaft in der Stadt wű nschte sich Serdal. Er wollte nicht mehr mit dem Verkauf von Obst und Gemű se sein Geld verdie-nen, sondern mit Teppichen handeln. Trä ume und Plä ne, die sie, Fatma, seit Jahren teilt. Spä ter einmal, wenn wir wieder in der Tű rkei leben, sagte er immer. Dafű r sparten sie. Nie zuvor hatte sich Fatma das Zurű ckgehen aber so sehr gewű nscht wie jetzt. Sie hatte Angst, noch lä nger in Deutschland leben zu mű ssen. Aber sie hatte auch Angst zurű ckzugehen. Wir waren zu lange fort, dachte sie wie schon so oft in letzter Zeit. Zu viel ist anders geworden. Und wir selbst sind auch anders geworden.

Yildiz war froh, wieder allein zu sein. Es kostete zu viel Kraft, niemanden etwas merken zu lassen. Aber was wurde passieren, wenn sie in der Schule plö tzlich vor der ganzen Klasse sagte: " Skins haben mich in den Wald ge-schleppt und gequalt. Ihre Gesichter konnte ich nicht er-kennen, weil sie maskiert waren. Vergewaltigt haben sie mich nicht. Nein, ein Deutscher tut so was nicht mit einer Tű rkenhure. Aber die Pistole hat der Anfű hrer auf mich gerichtet. Und abgedrű ckt hat er auch. Keiner hat gesagt, dass sie nicht geladen war..."

Jedes Mai wurde ihr bei diesen Gedanken schlecht. Sie lag auf dem Bett und starrte an die Decke. Ja, sie hatte Angst, sich zu erinnern. Aber dann musste sie wieder an die Han-de denken. Zwei der Skins hatten am linken Handgelenk Tatowierungen. Yildiz hatte solche Zeichen schon einmal an einer Wand am Bahnhof gesehen. Schmierereien, und daneben stand: AUSLÄ NDER raus! Deutschland den Deutschen!

Yildiz konnte wieder einmal nicht einschlafen. Sie dachte: Was haben diese Kerle nur aus meinem Leben gemacht!

 

Die Gaste waren gegangen. Fatma lag neben ihrem Mann und merkte, dass er nicht zur Ruhe kam. Auch sie konnte nicht einschlafen. Sie dachte: Warum spricht er nicht da-rű ber? Ű ber die Familie, das Dorf, das Grundstű ck... Leise fragte sie auf Tű rkisch: „Ne zaman geri donuyoruz? Serdal, was bedrű ckt dich? Wann kehren wir nach Amasya zurű ck? "

„Henű z bilmiyorum. Ich weiss es noch nicht."

„Erzä hl mir, was passiert ist, Serdal", bat Fatma. „Hat es auf den Amtern Schwiengkeiten gegeben? In Ankara vielleicht? Oder ist was mit der Familie?

Serdal setzte sich 1m Bett auf. „Es war keine gute Reise", sagte er. „Wir kö nnen jetzt nicht zurű ckgehen. Das Grundstű ck habe ich auch nicht gekauft. Vater geht es gesundheitlich nicht gut. Er hat von mir verlangt, dass ich einen Teil unseres Geldes fű r meinen Bruder Musa hergebe. Musa soil Mutter zu sich nehmen, falls Vater stirbt.

Er ist der Ä ltere. Musa soil ein grosseres Haus bauen und einen Lastwagen kaufen, um damit Geld zu verdienen. Er hat jetzt keine Arbeit."

Fatma erschrak. Serdal hatte also das Grundstű ck nicht gekauft. Das bedeutete, dass sie hier bleiben mussten. Viel-leicht noch sehr lange. Musa hatte nie akzeptiert, dass sein jű ngerer Bruder Serdal nach Deutschland gegangen war. Fű nf Kinder hatte er mit seiner Frau Nirgtil, davon drei Tochter, die er verheiraten musste. Doch wer nahm eine Frau, die nichts in die Ehe mitbringen konnte? Fatma sagte: „Also mű ssen wir noch weiterarbeiten und sparen, damit Musa nichts zu tun braucht. Was will er denn mit einem Lastwagen? Er wird das Geld verbrauchen und kein Haus bauen. Du kennst ihn doch. Willst du das wirklich machen, Serdal? "

Er antwortete nicht. Also hat er ihm schon Geld gegeben, dachte sie. Unser Traum ist zerstort. Vielleicht fű r immer. Und wir werden immer wieder Geld an den Bruder und die Verwandtschaft schicken, damit sie denken, es geht uns gut. Da kommen wir nie mehr raus. Dann dachte sie verzweifelt: Wo sollen wir denn hin? Wir kö nnen weder hier bleiben noch in die Tű rkei zurű ckgehen. Da sprach Serdal plö tzlich wieder. „Musa will, dass Murat bei ihm arbeitet. Er sagt, die Familie musste zusammen-halten. Aber Vater meint auch, Murat soil seine Lehre be-enden. Aber sonst unterstutzt Vater Musa. Er ist schhesslich der Ä ltere." Das klang bitter. Fatma drű ckte die Hand ihres Mannes.

Also noch ein Jahr, dachte sie. Murat muss dann unter sei-nem Onkel schuften. Und Yildiz kann nicht einmal die Schule hier zu Ende machen. Sie wird es schwer haben, sehr schwer, weil sie nicht mal richtig Tű rkisch kann. Es wird zu schwer sein fű r meine Kinder. Serdal, Serdal!, dachte sie. Du hast dich doch auch verandert in diesen Jahren hier in Deutschland. Du doch auch. Was wirst du diesmal machen? Wieder einmal nachgeben?

In ihre Gedanken hinein sagt Serdal: „Ich werde das nicht so einfach mitmachen. Murat muss seine Lehre hier been-den. Dann werden wir weitersehen."

 


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