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Ben ist wieder in der Stadt und Murat beweist, dass er Mut hat






Am nachsten Tag traf sie Anna auf dem Weg zur Schule. „Ich habe auf dich gewartet, weil ich dir von Markus was ausrichten soil." „Wenn er mir was zu sagen hat, dann soil er es selber tun."

„Stell dich doch nicht so an! Er kommt heute nicht in die Schule. Aber er sagt, er muss dich unbedingt sprechen. Du sollst am Nachmittag zu ihm kommen..."

„Ist er etwa krank? ", fragte Yildiz. Sie vergass, dass sie mit ihm Schluss gemacht hatte.

„Ich glaube nicht. Aber es ist sehr wichtig, sagt er."

„Und woher weifk du das? " Yildiz reagierte fast eifersuchtig.

„Ich habe geklingelt, weil ich eine CD brauche, die ich ihm geliehen habe. Also, gehst du hin? "

Yildiz sagte weder ja noch nein. Aber sie wusste, sie wű rde es tun. Was kann er von mir wollen?, fragte sie sich.

Gleich nach der Schule lief sie zu Markus. Ihre Beine zitterten, als sie die Treppen in die zweite Etage hinaufstieg.

Sie sagte zu sich selbst: Bleib ganz ruhig, Yih. Es ist Schluss mit uns beiden, und es ist das Beste so.

Als sie in der Tű r stand und er sie in die Wohnung zog, waren alle guten Vorsatze weg. „Yih, ich habe so auf dich gewartet." Markus fiel ihr sofort um den Hals. Sie kam gar nicht dazu, etwas zu sagen. Erst als sie in seinem Zimmer waren, fragte sie: „War es das, was du mir so Wichtiges zu sagen hattest? "

„Nein, Yih. Aber das ist auch wichtig. Was ich dir sagen wollte, ist, dass mein Bruder wieder in der Stadt ist." Yih erschrak. Ben ist da! „Und da verlangst du, dass ich hierher komme, Mark? Soil er mich noch mal in sein Zimmer zerren und mich qualen? Bist du noch normal? " Markus fasste sie an der Schulter. „Du brauchst keine Angst zu haben, Yih. Er kommt immer erst spä t. Ich liebe dich doch. Und ich will dich nur warnen." Markus kam nicht weiter. Plö tzlich stand Ben in der Tű r. Weder Markus noch Yildiz hatten gehö rt, wie er die Tű r aufgeschlossen hatte. „Wen willst du warnen? Deine Tű r-kenbraut? Habe ich nicht deutlich genug gesagt, dass ich sie hier nicht haben will? " Yildiz schrie laut auf und wollte weglaufen. Ben hess sie aber nicht an sich vorbei. „Hast du das damals nicht begriffen? Brauchst du Nachhilfe-stunden? "

Yildiz drű ckte sich vor Angst an die Wand. Diese Augen! Как und voller Hass. Und die Stimme, die Worte waren die der Skins, die sie gequalt hatten. Bei dem Gedanken, dass sie in eine Falle geraten sein konnte, bekam sie Panik. Warteten die anderen vor der Wohnungstű r? „Mach, dass du rauskommst! ", schrie Markus seinen Bruder an. „Hau ab! Du hast hier nichts mehr zu suchen, das hat dir Mutter deutlich gesagt. Verschwinde! " Yildiz sah, wie Bens Augen schmal wurden. Seine Worte klangen wie Metall. „Stell dich mir nicht noch einmal in den Weg. Ich habe dich gewarnt! " Mit einem lauten Knall fiel die Tű r zum Flur hinter ihm ins Schloss. Yildiz lehnte immer noch zitternd an der Wand. Sie hatte die Augen geschlossen und hö rte kaum, was Markus zu ihr sagte: „Er hat noch einen Schlű ssel", stammelte er. „Wir mű ssen das Schloss auswechseln lassen. Meinc Mutter hat ihn heute frű h rausgeworfen. Ich musste hier blei-ben, weil wir befű rchteten, dass Ben mit den Skins wie-derkommt. Ich muss auf den Schlosser warten..." Markus war vollig durcheinander. „Es hat Streit gegeben. Meine Mutter hat ihm Vorwű rfe gemacht, weil er mit de-nen mitmacht. Sie hat gesagt: „Die oder wir! " Da hat er durchgedreht und meine Mutter geschlagen. Im Wohnzimmer sieht es schlimm aus. Er soil die Wohnung nie wieder betreten, hat meine Mutter gesagt. Aber vorhin hatte ich vergessen, die Kette wieder vorzulegen." Plö tzlich schrie Yildiz los: „Hö r auf! Lass mich in Ruhe! Das interessiert mich alles nicht. Bist du noch normal? Mich diesem Nazi auszuliefern! Deine Familienprobleme sind mir egal..."

Yildiz konnte nicht mehr. Ihr Hals brannte, der Kopf schmerzte, alles an ihr tat weh.

Markus wollte etwas sagen, aber die Stimme gehö rchte ihm nicht. Da nahm er einfach ihre Hand und zog sie hin-ter sich her. Im Wohnzimmer war ein grosses Durcheinan-der. Markus hatte schon versucht, ein bisschen Ordnung zu machen. Er hatte eine Verletzung an der Stirn, das sah Yildiz erst jetzt.

Yildiz sah das alles, ohne etwas zu sagen. Dann ging sie durch den Flur zurű ck zur Wohnungstű r. Als sie hinaus-gehen wollte, hielt Markus ihre Hand fest. „Yili, ich wollte dich wirklich warnen, dich und deine Familie." „Dann geh zur Polizei. Ich bin die falsche Adresse." „Anzeige gegen Unbekannt? "

„Nein. Anzeige gegen deinen Bruder." Dann lief sie einfach weg.

Nach dem Mittagessen ging sie sofort in ihr Zimmer. Doch ihre Mutter hatte bemerkt, dass etwas passiert war. Als ihr Mann wieder in den Laden ging, kam sie zu Yildiz herauf. Erst weinte Yildiz nur, dann erzä hlte sie der Mutter, was geschehen war. „Warum hat Markus mir nicht von Anfang an die Wahrheit gesagt? Immer nur Andeutungen wegen Ben..."

„Vielleicht aus Angst, dass du ihn dann nicht mehr magst, Yili." Yildiz weinte sich aus und die Mutter hielt sie wie ein kleines Kind in den Armen. „Bleibt uns wirklich nichts anderes ű brig, als von hier wegzugehen, Mama? " Sie bekam keine Antwort.

Aber am Abend kam Murat zu ihr. „Ich weiss, was los ist", sagte er. „Mama hat mir alles gesagt. Jetzt wird was passieren. Und ű ber Markus reden wir noch. Manches sehe ich da vielleicht falsch. Aber manches auch nicht." Yildiz wollte schreien: Nichts wirst du machen, Murat! Halt dich da raus! Aber sie war zu erschopft, sie konnte einfach nicht mehr. „Wir werden uns diesen saű beren Ben vornehmen. Ihn und seine Bande! ", sagte Murat. „Markus wird mich zu ihm fű hren, und wenn ich ihn hinprugeln muss! "

„Murat, Ben war doch gar nicht dabei. Ich kann nicht mal beweisen, dass er die Skins auf mich gehetzt hat. Vielleicht wollte er nur, dass Schluss ist zwischen Mark und mir. Aber ich konnte keinen erkennen. Sie hatten alle Masken auf. Die lassen sich nicht einfach finden. Und wenn... ich habe Angst um dich! "

Murat konnte sich nicht beruhigen. „Ich finde diese Schweine. Die werden nicht noch mal ein tű rkisches Mä dchen anruhren."

In der Nacht wurde Yildiz von Sirenen aus dem Schlaf gerissen. Dann klingelte das Telefon. Sie lief aus ihrem Zimmer und sah Murat aus dem Haus rennen. Auch ihre Eltern waren wach geworden. Serdal Toluk ö ffnete das Fenster. „Es brennt", sagte er. „In der Vorstadt. Die Feuer-wehr ist schon unterwegs."

Yildiz konnte lange nicht mehr einschlafen. Am nachsten Morgen kam ihr Vater mit der Nachricht aus der Markt-halle zurű ck, dass das AUSLÄ NDERwohnheim gebrannt hat-te.

„Jemand hat das Heim angezű ndet." Yildiz kannte die Antwort, noch bevor ihr Vater etwas sagen konnte. „Gibt es Tote? "

„Nein. Aber funf Verletzte. Zwei Kinder sind darunter. Jetzt haben sie nicht mal mehr ein Dach ű ber dem Kopf." Fatma Toluk schlug die Hande vors Gesicht und rannte in ihr kleines Buro.

„Wer war es? ", fragte Yildiz mit gepresster Stimme. „Haben sie die Tater? "

Bevor ihr Vater antworten konnte, kam Murat. Sein Gesicht war schwarz von Russ, die Jeansjacke zerrissen. „Nein", sagte er hart. „Sie haben Molotowcocktails in die Fenster geschmissen und sind davongelaufen. Wir haben rausgeholt, was noch zu retten war, nachdem die Feuerwehr weg war."

„Murat, du blutest an der Hand! ", sagte Yildiz erschrocken. Der wehrte ab. „Nicht der Rede wert."

Yildiz sah ihm nach, als er ins Bad ging. Sie bewunderte ihn jetzt. Er hatte geholfen, wahrend sie, wie die meisten Leute in der Stadt, wieder ins Bett gekrochen war.

 


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