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Yildiz lasst sich mit dem Packen Zeit, aber der Abschied kommt immer näher
Fatma Toluk packte in die Umzugskartons, was sie mit den Mobeln in die Tű rkei schicken wollte. Tayfun Arslan, ein Bekannter ihres Mannes, der das Geschaft ű berneh-men wollte, stand neben Serdal im Laden. Seine junge Frau Birhan sprach fast kein Deutsch. „Du musst die Sprache lernen", sagte Yildiz immer wieder zu Birhan. „Sonst hast du keine Chance." Yildiz liess sich mit dem Packen Zeit. Sie wollte nicht auf gepackten Koffern sitzen und warten. Die Mobel aus ihrem Zimmer blieben sowieso da, denn sie waren schon ziemlich alt. Und das, war ihr wirklich etwas bedeutete, passte in zwei Koffer. In zwei Wochen war der Prozess gegen Murat. Die Anklage lautete auf schwere Korperverletzung mit todlichem Ausgang, also nicht auf Totschlag oder Mord. Dr. Schindler machte ihnen aber keine Hoffnung, dass es eine Straftat auf Bewahrung werden konnte. Markus war Zeuge im Prozess gegen Murat. „Was wirst du aussagen? ", fragte Yildiz. „So, wie es gewesen ist, was sonst? Ich weiss es auch nur von seinen Freunden. Murat hat sich gewehrt wie verrű ckt. Die Skins haben geschrien und nach ihm getreten. Da ist er durchgedreht. Das Messer hatten sie ihm doch gleich aus der Hand geschlagen. Ich denke, Murat wollte damit sowieso nur drohen." Nach einigen Regentagen war es noch einmal sehr heiss geworden. „Komm, wir fahren raus", sagte Markus. Er wollte Yildiz ablenken, sie auf andere Gedanken bringen. Yildiz holte ihr Fahrrad aus dem Keller und sie fuhren aus der Stadt. Am Fluss fanden sie eine Stelle, an der kaum Leute vorbeikamen. Sie lehnten ihre Rader an einen Baum und legten sich in den Schatten. Yildiz dachte: Das ist schon fast wie Abschiednehmen. Und dabei denke ich, es mű sste jeden Augenblick jemand zu mir sagen: Wach auf, Yili. Das traumst du alles nur. „Warum hast du mir nicht schon frű her von Ben erzä hlt? ", fragte sie plö tzlich. „Als wir das erste Mai im Kino waren, zum Beispiel. Oder als du mich zum Eis eingeladen hat-test." „Ich hatte Angst..." „Angst! Immer wieder Angst", sagte Yildiz, und sie wun-derte sich, wie ruhig sie das sagte. „Die Angst hat uns klein gemacht und schwach." Sie hatte ja selbst nicht anders reagiert. Erst hatte ich Angst, meinen Eltern von der Sache mit den Steinen zu erzä hlen, dachte sie, dann habe ich weiter geschwiegen. Und als Murat davon erfahren hat, ist er durchgedreht. Auch aus Angst, was aus uns werden soil. „Seit wann hast du eigentlich geahnt, dass es Ben gewesen sein konnte, der die Skins auf mich gehetzt hat? Warum hast du damals den Mund nicht aufgemacht? Auch aus Angst? " Markus griff nach ihrer Hand. „Haltst du mich jetzt fű r einen Feigling? Ich habe doch nicht gewusst, wie weit Ben gehen wű rde." Ach Mark, dachte Yildiz. Vor wenigen Monaten warst du noch so gross in meinen Augen. Was du gesagt hast, habe ich geglaubt. Aber es ist viel passiert in der kurzen Zeit. Ich bin um vieles alter und klű ger gewor-den. „Nicht mehr streiten", bat Markus plö tzlich. „Wir haben nur noch so wenig Zeit fű reinander. Wir werden uns lan-ge nicht sehen. Aber wir werden uns schreiben, miteinan-der telefonieren, uns in den Ferien wiedersehen „Ach Mark, es wird alles anders kommen."
„Ich glaube aber daran, Yih. Du machst deine Schule in der Tű rkei fertig und ich hier. Wenn wir beide studieren, sieht alles schon wieder ganz anders aus. Wir werden einen Weg finden. Ganz bestimmt." Yildiz dachte: Es ist sicher leichter, wenn man sich mit einer solchen Hoffnung trennt. Sonst konnte man es nicht aushalten. Vielleicht hat Mark ja Recht und wir kommen wieder zusammen. Spä ter einmal. Irgendwann. Irgendwo.
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