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Homo Faber 4 ñòðàíèöà






Ich versuchte zu schlafen.

Ich platzte nur, wenn Marcel sich ü ber meine Tä tigkeit ä uß erte, beziehungsweise ü ber die Unesco: der Techniker als letzte Ausgabe des weiß en Missionars, Industrialisierung als letztes Evangelium einer sterbenden Rasse, Lebensstandard als Ersatz fü r Lebenssinn —

Ich fragte ihn, ob er Kommunist sei.

Marcel bestritt es.

Am dritten Tag, als wir wieder durch Gebü sche fuhren, ohne eine Fä hrte zu haben, einfach Richtung Guatemala, hatte ich es satt —

Ich war fü r Umkehren.

»Weil es idiotisch ist«, sagte ich,»einfach aufs Geratewohl weiterzufahren, bis wir kein Gasoline mehr haben.«

Herbert holte seine Karte —

Was mir auf die Nerven ging: die Molche in jedem Tü mpel, in jeder Eintagspfü tze ein Gewimmel von Molchen —ü berhaupt diese Fortpflanzerei ü berall, es stinkt nach Fruchtbarkeit, nach blü hender Verwesung.

Wo man hinspuckt, keimt es!

Ich kannte sie, diese Karte 1: 500 000, die nicht einmal unter der Lupe etwas hergibt, nichts als weiß es Papier: ein blaues Flü ß chen, eine Landesgrenze schnurgerade, die Linie eines Breitengrades im leeren Weiß!... Ich war fü r Umkehren. Ich hatte keine Angst (wovor denn!), aber es hatte keinen Sinn. Nur Herbert zuliebe fuhr man noch weiter, unglü cklicherweise, denn kurz darauf kamen wir tatsä chlich an einen Fluß, beziehungsweise ein Fluß bett, das nichts anderes sein konnte als der Rio Usumacinta, Grenze zwischen Mexico und Guatemala, teilweise trocken, teilweise voll Wasser, das kaum zu fließ en schien, nicht ohne weiteres zu ü berqueren, aber es muß te Stellen geben, wo es auch ohne Brü cke mö glich ist, und Herbert ließ keine Ruhe, obschon ich baden wollte, er steuerte am Ufer entlang, bis die Stelle gefunden war, wo man ü berqueren konnte und wo auch Joachim (wie sich spä ter herausstellte) ü berquert hatte.

Ich badete.

Marcel badete ebenfalls, und wir lagen rü cklings im Wasser, Mund geschlossen, um nichts zu schlucken, es war ein trü bes und warmes Wasser, das stank, jede Bewegung hinterlä ß t Blä schen, immerhin Wasser, lä stig nur die zahllosen Libellen und Herbert, der weiter drä ngte, und der Gedanke, es kö nnte Schlangen geben.

Herbert blieb an Land.

Unser Landrover stand bis zur Achse in dem schlü pfrigen Mergel (oder was es ist), Herbert tankte —

Es wimmelte von Schmetterlingen.

Als ich einen rostigen Kanister im Wasser sah, was darauf schließ en ließ, daß auch Joachim (wer sonst?) an dieser Stelle einmal getankt hatte, sagte ich kein Wort, sondern badete weiter, wä hrend Herbert versuchte, unseren Landrover aus dem schlü pfrigen Mergel zu steuern...

Ich war fü r Umkehren.

Ich blieb im Wasser, obschon es mich plö tzlich ekelte, das Ungeziefer, die Blä schen auf dem braunen Wasser, das faule Blinken der Sonne, ein Himmel voll Gemü se, wenn man rü cklings im Wasser lag und hinaufblickte, Wedel mit meterlangen Blä ttern, reglos, dazwischen Akazien-Filigran, Flechten, Luftwurzeln, reglos, ab und zu ein roter Vogel, der ü ber den Fluß flog, sonst Totenstille (wenn Herbert nicht gerade Vollgas-Versuche machte —) unter einem weiß lichen Himmel, die Sonne wie in Watte, klebrig und heiß, dunstig mit einem Regenbogenring.

Ich war fü r Umkehren.

»Weil es Unsinn ist«, sagte ich,»weil wir diese verfluchte Plantage nie finden werden —«

Ich war fü r Abstimmen.

Marcel war auch fü r Umkehren, da er seine Ferien zu Ende gehen sah, und es handelte sich, als Herbert es tatsä chlich geschafft hatte und unser Landrover am anderen Ufer stand, nur noch darum, Herbert zu ü berzeugen von dem Unsinn, ohne jede Fä hrte weiterzufahren. Zuerst beschimpfte er mich, weil er meine Grü nde nicht widerlegen konnte, dann schwieg er und hö rte zu, und eigentlich hatte ich ihn soweit — wä re nicht Marcel gewesen, der dazwischenfunkte.

»Voilà «, rief er,»les traces d'une Nash! «

Wir nahmen's fü r einen Witz.

»Mais regardez«, rief er,»sans blague —«

Die verkrusteten Spuren waren teilweise verschwemmt, so daß es auch Karrenspuren sein konnten; an andern Stellen, je nach Bodenart, erkannte man tatsä chlich das Pneu-Muster.

Damit hatten wir die Fä hrte.

Sonst wä re ich nicht gefahren, wie gesagt, und es wä re (ich werde diesen Gedanken nicht los) alles anders gekommen —

Nun gab es kein Umkehren.

(Leider!)

Am Morgen des vierten Tages sahen wir zwei Indios, die ü bers Feld gingen mit gekrü mmten Sä beln in der Hand, genau wie die beiden, die Herbert schon in Palenque gesehen und fü r Mö rder gehalten hatte; ihre krummen Sä bel waren nichts anderes als Sicheln.

Dann die ersten Tabakfelder —

Die Hoffnung, noch vor Einbruch der Nacht hinzukommen, machte uns nervö ser als je, dazu die Hitze wie noch nie, ringsum Tabak, Grä ben dazwischen, Menschenwerk, schnurgerade, aber nirgends ein Mensch.

Wir hatten wieder die Spur verloren —

Wieder die Suche nach Pneu-Muster!

Bald ging die Sonne unter; wir stellten uns auf unseren Landrover und pfiffen, die Finger im Mund, so laut wir konnten. Wir muß ten in nä chster Nä he sein. Wir pfiffen und hupten, wä hrend die Sonne bereits in den grü nen Tabak sank — wie gedunsen, im Dunst wie eine Blase voll Blut, widerlich, wie eine Niere oder so etwas.

Ebenso der Mond.

Es fehlte nur noch, daß wir einander in der Dä mmerung verloren, indem jeder, um Pneu-Spuren zu finden, irgendwohin stapfte. Wir verteilten uns auf Bezirke, die jeder abzuschreiten hatte. Wer etwas findet, was irgendwie nach Pneu aussieht, sollte pfeifen.

Nur die Vö gel pfiffen —

Wir suchten noch bei Mondschein, bis Herbert auf die Zopilote stieß, Zopilote auf einem toten Esel — er schrie und fluchte und schleuderte Steine gegen die schwarzen Vö gel, nicht abzuhalten in seiner Wut. Es war scheuß lich. Die Augen des Esels waren ausgehackt, zwei rote Lö cher, ebenso die Zunge; nun versuchten sie, wä hrend Herbert noch immer seine Steine schleuderte, die Dä rme aus dem After zu zerren.

Das war unsere vierte Nacht —

Zu trinken hatten wir nichts mehr.

Ich war todmü de, die Erde wie geheizt, ich hockte, meinen Kopf in die Hä nde gestü tzt, schwitzend im blä ulichen Mondschein. Es sprü hte von Leuchtkä fern.

Herbert ging auf und ab.

Nur Marcel schlief.

Einmal — ich hö rte plö tzlich keine Schritte mehr und blickte nach Herbert — stand er drü ben beim toten Esel, ohne Steine zu werfen gegen die huschenden Vö gel, er stand und sah es sich an.

Sie fraß en die ganze Nacht —

Als der Mond endlich in den Tabak sank, so daß der feuchte Dunst ü ber den Feldern aufhö rte, wie Milch zu erscheinen, schlief ich doch; aber nicht lange.

Schon wieder die Sonne!

Der Esel lag offen, die Zopilote waren satt und hockten auf den Bä umen ringsum, wie ausgestopft, als wir losfuhren ohne Weg; Herbert als Vertreter und Neffe der Hencke-Bosch GmbH., der diese Felder gehö rten, ü bernahm die Verantwortung und das Steuer, nach wie vor wortlos, und fuhr mitten durch den Tabak, es war idiotisch, hinter uns die Bahnen von zerstö rtem Tabak, aber es blieb uns nichts anderes ü brig, da auf unser Hupen und Pfeifen, oft genug wiederholt, keinerlei Antwort erfolgte —

Die Sonne stieg.

Dann eine Gruppe von Indios, Angestellte der Hencke-Bosch GmbH, Dü sseldorf, die uns sagten, ihr Senor sei tot. Ich muß te ü bersetzen, da Herbert kein Spanisch verstand. Wieso tot? Sie zuckten ihre Achseln. Ihr Señ or sei tot, sagten sie, und einer zeigte uns den Weg, indem er neben unserem Landrover herlief im indianischen Trabschritt.

Die andern arbeiteten weiter.

Von Revolte also keine Rede!

Es war eine amerikanische Baracke, gedeckt mit Wellblech, und die einzige Tü re war von innen verriegelt. Man hö rte Radio. Wir riefen und klopften, Joachim sollte aufmachen.

»Nuestro Señ or ha muerto —«

Ich holte den Schraubenschlü ssel von unserem Landrover, und Herbert sprengte die Tü re. Ich erkannte ihn nicht mehr. Zum Glü ck hatte er's hinter geschlossenen Fenstern getan, Zopilote auf den Bä umen ringsum, Zopilote auf dem Dach, aber sie konnten nicht durch die Fenster. Man sah ihn durch die Fenster. Trotzdem gingen diese Indios tä glich an ihre Arbeit und kamen nicht auf die Idee, die Tü re zu sprengen und den Erhä ngten abzunehmen. — Er hatte es mit einem Draht gemacht. — Es wunderte mich, woher sein Radio, das wir sofort abstellten, den elektrischen Strom bezieht, aber das war jetzt nicht das Wichtigste —

Wir fotografierten und bestatteten ihn.

Die Indios (wie in meinem Bericht zuhanden des Verwaltungsrates bereits erwä hnt) befolgten jede Anweisung von Herbert, obschon er damals noch kein Spanisch konnte, und anerkannten Herbert sofort als ihren nä chsten Herrn... Ich opferte noch anderthalb Tage, um Herbert zu ü berzeugen, daß von Revolte nicht die Rede sein konnte, und daß sein Bruder einfach dieses Klima nicht ausgehalten hat, was ich verstand; ich weiß nicht, was Herbert sich in den Kopf setzte, er war nicht zu ü berreden, seinerseits entschlossen, das Klima auszuhalten. Wir muß ten zurü ck. Herbert tat uns leid, aber ein Bleiben kam nicht in Frage, ganz abgesehen davon, daß es keinen Zweck hatte; Marcel muß te auch in Boston an seine Arbeit, auch ich muß te weiter, beziehungsweise zurü ck nach Palenque-Campeche-Mexico, um dann weiterzufliegen, ganz abgesehen davon, daß wir uns verpflichtet hatten, unseren Landrover spä testens in einer Woche dem freundlichen Lacroix -Wirt zurü ckzubringen. Ich muß te zu meinen Turbinen. Ich weiß nicht, was Herbert sich vorstellte, Herbert konnte nicht einmal Spanisch, wie gesagt, und ich fand es unkameradschaftlich, geradezu unverantwortlich, ihn zurü ckzulassen als einzigen Weiß en; wir beschworen ihn, aber vergeblich. Herbert hatte den Nash 55, den ich besichtigte; der Wagen stand in einer Indio-Hü tte, nur mit einem Blä tterdach gegen Regen geschü tzt, offensichtlich schon lange nicht mehr benutzt, verkratzt, verdreckt, aber fahrtü chtig. Ich untersuchte ihn persö nlich. Damals war der Motor noch in Ordnung, wenn auch verschlammt; ich hatte den Motor probiert, und Gasoline war auch noch da. Sonst hä tten wir Herbert, versteht sich, nicht allein zurü ckgelassen. Wir hatten einfach keine Zeit, Marcel so wenig wie ich; Marcel muß te zu seinen Symphonikern, wir hatten schließ lich auch unsere Berufe, ob Herbert es begriff oder nicht — er zuckte die Achsel, ohne zu widersprechen, und winkte kaum, als wir auf dem Landrover saß en, Marcel und ich, und nochmals auf ihn warteten; er schü ttelte den Kopf. Obendrein sah es nach schweren Gewittern aus, wir muß ten fahren, solange wir die eigene Spur noch hatten.

 

Es ist mir heute noch ein Rä tsel, wieso Hanna und Joachim geheiratet und wieso sie mich, Vater des Kindes, nie haben wissen lassen, daß dieses Kind zur Welt gekommen ist.

Ich kann nur berichten, was ich weiß.

Es war die Zeit, als die jü dischen Pä sse annulliert wurden. Ich hatte mir geschworen, Hanna keinesfalls im Stich zu lassen, und dabei blieb es. Joachim war bereit, Trauzeuge zu sein. Meinen bü rgerlichen und besorgten Eltern war es auch recht, daß wir nicht eine Hochzeit mit Droschken und Klimbim wollten; nur Hanna machte sich immer noch Zweifel, ob es denn richtig wä re, daß wir heirateten, richtig fü r mich. Ich brachte unsere Papiere aufs zustä ndige Amt, unsere Eheverkü ndigung stand in der Zeitung. Auch im Fall einer Scheidung, so sagte ich mir, blieb Hanna jedenfalls Schweizerin und im Besitz eines Passes. Die Sache eilte, da ich meine Stelle in Bagdad anzutreten hatte. Es war ein Samstagvormittag, als wir endlich — nach einem komischen Frü hstü ck bei meinen Eltern, die dann das Kirchengelä ute doch vermiß ten! — endlich ins Stadthaus gingen, um die Trauung zu vollziehen. Es wimmelte von Hochzeiten wie ü blich an Samstagen, daher die lange Warterei, wir saß en im Vorzimmer, alle im Straß enanzug, umgeben von weiß en Brä uten und Brä utigams, die wie Kellner aussahen. Als Hanna gelegentlich hinausging, dachte ich nichts Schlimmes, man redete, man rauchte. Als endlich der Standesbeamte uns rief, war Hanna nicht da.

Wir suchten sie und fanden sie drauß en an der Limmat, nicht zu bewegen, sie weigerte sich in das Trauzimmer zu kommen. Sie kö nne nicht! Ich redete ihr zu, ringsum das Elfuhrgelä ute, ich bat Hanna, die Sache ganz sachlich zu nehmen; aber vergeblich. Sie schü ttelte den Kopf und weinte. Ich heirate ja bloß, um zu beweisen, daß ich kein Antisemit sei, sagte sie, und es war einfach nichts zu machen. Die Woche darauf, meine letzte in Zü rich, war abscheulich. Es war Hanna, die nicht heiraten wollte, und ich hatte keine Wahl, ich muß te nach Bagdad, gemä ß Vertrag. Hanna begleitete mich noch an die Bahn, und wir nahmen Abschied. Hanna hatte versprochen, nach meiner Abreise sofort zu Joachim zu gehen, der seine ä rztliche Hilfe angeboten hatte, und in diesem Sinn nahmen wir Abschied; es war ausgemacht, daß unser Kind nicht zur Welt kommen sollte.

Spä ter hö rte ich nie wieder von ihr.

Das war 1936.

Ich hatte Hanna damals gefragt, wie sie Joachim, meinen Freund, nun finde. Sie fand ihn ganz sympathisch. Ich wä re nie auf die Idee gekommen, daß Hanna und Joachim einander heiraten.

 

Mein Aufenthalt in Venezuela (heute vor zehn Wochen) dauerte nur zwei Tage, denn die Turbinen lagen noch im Hafen, alles noch in Kisten verpackt, und von Montage konnte nicht die Rede sein —

20. IV. Abflug von Caracas.

21. IV. Ankunft in New York, Idlewild.

Ivy stellte mich an der Schranke, sie hatte sich erkundigt, wann ich ankomme, und war nicht zu umgehen. Ob sie meinen Brief nicht bekommen habe? Sie kü ß te mich, ohne zu antworten, und wuß te bereits, daß ich in einer Woche dienstlich nach Paris fliegen muß te; sie roch nach Whisky.

Ich redete kein Wort.

Man saß in unserem Studebaker, und Ivy steuerte zu meiner Wohnung. Kein Wort von meinem Wü sten-Brief! Ivy hatte Blumen besorgt, obschon ich mir aus Blumen nichts mache, dazu Hummer, dazu Sauternes: zur Feier meiner Errettung aus der Wü ste: — dazu wieder ihre Kü sse, wä hrend ich meine Post durchging.

Ich hasse Abschiede.

Ich hatte nicht damit gerechnet, Ivy nochmals zu sehen und schon gar nicht in dieser Wohnung, die sie»unsere«Wohnung nennt.

Kann sein, ich duschte endlos —

Unser Krach beginnt, als Ivy mit einem Frottiertuch kommt, ich werfe sie hinaus — mit Gewalt leider, denn sie liebt Gewalt, dann hat sie das Recht, mich zu beiß en —

Zum Glü ck klingelte das Telefon!

Nach meiner Verabredung mit Dick, der zu meiner Notlandung gratuliert, Verabredung zu einem Schach, findet Ivy, ich sei ein Rohling, ein Egoist, ein Unmensch, ich habe ü berhaupt keine Gefü hle —

Ich lachte natü rlich.

Sie schlä gt mit beiden Fä usten, schluchzend, aber ich hü te mich, Gewalt zu brauchen, denn das mö chte sie.

Mag sein, daß Ivy mich liebte.

(Sicher war ich bei Frauen nie.)

Eine Viertelstunde spä ter, als ich Dick anrief und mitteilte, daß ich leider doch nicht kommen kö nnte, hatte Dick unser Schach schon aufgestellt; ich entschuldigte mich, was peinlich war, ich konnte ja nicht sagen, warum und wieso, sagte nur, daß ich wirklich viel lieber ein Schach spielen wü rde —

Ivy schluchzte von neuem.

Das war 18.00 Uhr, und ich wuß te ja genau, wie dieser lange Abend verlaufen wü rde, wenn wir nicht ausgingen; ich schlug ein franzö sisches Restaurant vor, dann ein chinesisches, dann ein schwedisches. Alles vergeblich! Ivy behauptete einfach und gelassen, keinen Hunger zu haben. Ich behauptete: Aber ich! Ivy verwies auf den Hummer im Eisschrank, ferner auf ihr sportliches Kleid, das nicht fü r ein elegantes Restaurant paß te. Wie ich's ü brigens finde, ihr Kleid? Ich hatte unseren Hummer schon in der Hand, um ihn in den incinerator zu werfen, nicht gewillt, mich von einem Hummer zwingen zu lassen —

Ivy versprach sofort vernü nftig zu sein.

Ich legte den Hummer wieder in den Eisschrank zurü ck, Ivy war einverstanden mit dem chinesischen Restaurant; nur war sie, wie ich zugeben muß te, sehr verheult, ein make-up unumgä nglich.

Ich wartete —

Meine Wohnung, Central Park West, war mir schon lange zu teuer, zwei Zimmer mit Dachgarten, einzigartige Lage, kein Zweifel, aber viel zu teuer, wenn man nicht verliebt ist —

Ivy fragte, wann ich nach Paris fliege.

Schweigen meinerseits.

Ich stand drauß en und ordnete meine letzten Filme, um sie zum Entwickeln geben zu kö nnen; ich schrieb die Spulen an, wie ü blich... Der Tod von Joachim, davon zu sprechen hatte ich keine Lust, Ivy kannte ihn ja nicht, Joachim war mein einziger wirklicher Freund.

Warum ich so schweigsam tue?

Dick, zum Beispiel, ist nett, auch Schachspieler, hochgebildet, glaube ich, jedenfalls gebildeter als ich, ein witziger Mensch, den ich bewunderte (nur im Schach war ich ihm gewachsen) oder wenigstens beneidete, einer von denen, die uns das Leben retten kö nnten, ohne daß man deswegen je intimer wird —

Ivy kä mmte sich noch immer.

Ich erzä hlte von meiner Notlandung —

Ivy pinselte ihre Wimpern.

Allein die Tatsache, daß man zusammen nochmals ausging, nachdem man sich schriftlich getrennt hatte, machte mich wü tend. Aber davon schien Ivy ja nichts zu wissen, daß man sich getrennt hatte!

Plö tzlich hatte ich genug —

Ivy malte ihre Fingernä gel und summte —

Plö tzlich hö re ich mich am Telefon: Anfrage wegen Schiffplatz nach Europa, gleichgü ltig welche Linie, je rascher um so lieber.

»Wieso Schiff? «fragte Ivy.

Es war sehr unwahrscheinlich, um diese Jahreszeit einen Schiffplatz nach Europa zu bekommen, und ich weiß nicht, wieso ich plö tzlich (vielleicht bloß weil Ivy summte und tat, als wä re nichts gewesen) auf die Idee kam, nicht zu fliegen. Ich war selbst ü berrascht. Ich hatte Glü ck, indem ein cabin-class-Bett soeben freigeworden war — Ivy hö rte, wie ich bestellte, und war aufgesprungen, um mich zu unterbrechen; aber ich hatte den Hö rer bereits aufgelegt.

»It's okay! «sagte ich.

Ivy war sprachlos, was ich genoß; ich zü ndete mir eine Zigarette an, Ivy hatte auch meine Abfahrtzeit vernommen:

»Eleven o'clock tomorrow morning.«

Ich wiederholte es.

»You're ready? «fragte ich und hielt ihren Mantel wie ü blich, um mit ihr ausgehen zu kö nnen. Ivy starrte mich an, dann schleuderte sie plö tzlich ihren Mantel irgendwohin ins Zimmer, stampfend, auß er sich vor Zorn... Ivy hatte sich eingerichtet, eine Woche in Manhattan zu verbringen, jetzt gestand sie's, und mein plö tzlicher Entschluß, nicht zu fliegen wie ü blich, sondern morgen schon mit dem Schiff zu reisen, um in einer Woche auch in Paris zu sein, war ein Strich durch ihre Rechnung.

Ich hob ihren Mantel auf.

Ich hatte ihr geschrieben, daß es Schluß ist, schwarz auf weiß; sie hatte es einfach nicht geglaubt. Sie hatte gemeint, ich sei hö rig, und wenn wir zusammen eine Woche verbringen, sei alles wieder beim alten, das hatte sie gemeint — und drum lachte ich.

Mag sein, ich war gemein.

Sie war es auch —

Ihr Verdacht, daß ich Flugangst hä tte, war rü hrend, und obschon ich natü rlich nicht die mindeste Flugangst je erlebt habe, tat ich, als hä tte ich Flugangst. Ich wollte es ihr leichter machen; ich wollte nicht gemein sein. Ich log und sagte, was ihr meinen Entschluß verstä ndlich machte — ich schilderte ihr (zum zweiten Mal bereits) meine Notlandung in Tamaulipas, und wie wenig gefehlt hä tte —

»Oh, Honey«, sagte sie,»stop it! «

Ein Defekt in der Brennstoffzufuhr, was natü rlich nicht vorkommen sollte, eine einzige blö de Panne genü gt, sagte ich, und was nü tzt es mir, daß von 1000 Flü gen, die ich mache, 999 tadellos verlaufen; was interessiert es mich, daß am gleichen Tag, wo ich ins Meer stü rze, 999 Maschinen tadellos landen?

Sie wurde nachdenklich.

Warum nicht einmal eine Schiffspassage?

Ich rechnete, bis Ivy mir glaubte, sie setzte sich sogar und gestand, daß sie solche Rechnungen nie angestellt hä tte; sie verstand meinen Entschluß, nicht zu fliegen.

Sie bat mich um Verzeihung.

Ich bin in meinem Leben, glaube ich, ü ber 100 000 Meilen geflogen ohne die mindeste Panne. Von Flugangst konnte keine Rede sein! Ich tat nur so, bis Ivy mich bat, nie wieder zu fliegen.

Ich muß te es schwö ren —

Nie wieder!

Ivy war komisch, — sie wollte meine Hand lesen, so glaubte sie plö tzlich an meine Flugangst und bangte um mein Leben! Sie tat mir leid, denn sie meinte es, wie mir schien, vollkommen ernst, als sie von meiner kurzen Lebenslinie redete (dabei bin ich schon fü nfzig!) und weinte, ich strich mit der rechten Hand, wä hrend sie meine linke Hand entzifferte, ü ber ihr Haar — was ein Fehler war.

Ich spü rte ihren heiß en Schä del.

Ivy ist sechsundzwanzig.

Ich versprach, endlich zu einem Arzt zu gehen, und spü rte ihre Trä nen auf meiner linken Hand, ich fand mich kitschig, aber es war nicht zu ä ndern, Ivy mit ihrem Temperament, sie glaubte, was sie redete, und obschon ich meinerseits nicht an Wahrsagerei glaube, versteht sich, nicht einen Augenblick lang, muß te ich sie trö sten, als wä re ich schon abgestü rzt und zerschmettert und zur Unkenntlichkeit verkohlt, ich lachte natü rlich, aber ich streichelte sie, wie man eine junge Witwe streichelt und trö stet, und kü ß te sie —

Es kam genau, wie ich's nicht wollte.

Eine Stunde spä ter saß man nebeneinander, Ivy in ihrem Morgenrock, den ich ihr zu Weihnachten geschenkt hatte, und man aß Hummer, trank Sauternes; ich haß te sie.

Ich haß te mich selbst —

Ivy summte. Wie zum Hohn.

Ich hatte ihr geschrieben, daß es Schluß ist, und sie hatte meinen Brief (ich sah es) in ihrer Tasche —

Jetzt rä chte sie sich.

Ich hatte Hunger, aber der Hummer ekelte mich. Ivy fand ihn himmlisch, und es ekelte mich ihre Zä rtlichkeit, ihre Hand auf meinem Knie, ihre Hand auf meiner Hand, ihr Arm auf meiner Schulter, ihre Schulter an meiner Brust, ihr Kuß, wenn ich Wein einschenkte, es war unerträ glich — ich sagte rundheraus, daß ich sie hasse.

Ivy glaubte es nicht.

Ich stand am Fenster und haß te die ganze Zeit, die ich in diesem Manhattan verbracht habe, vor allem aber meine Wohnung. Ich hä tte sie anzü nden wollen! Als ich vom Fenster zurü ckkehrte, hatte Ivy sich noch immer nicht angekleidet, sondern zwei Grapefruits gerichtet und fragte, ob ich Kaffee mö chte.

Ich bat sie, sich anzukleiden.

Als sie an mir vorbeiging, um Wasser fü r den Kaffee aufzusetzen, gab sie mir einen Nasenstü ber. Wie einem Hanswurst. Ob ich ins Kino wollte, fragte sie aus der Kü chennische herü ber, als wä re sie bereit, sofort zu kommen — in Strü mpfen und Morgenrock.

Jetzt spielte sie Katz und Maus.

Ich beherrschte mich und sagte kein Wort, sammelte ihre Schuhe, ihre Wä sche, ihr Drum und Dran (ich vertrage den Anblick solcher Rosa-Sachen sowieso nicht) und warf es ins Nebenzimmer, damit Ivy noch einmal ihre endlose Toilette machen konnte.

Ja, ich wollte ins Kino!

Der Kaffee tat gut —

Mein Entschluß, diese Wohnung aufzugeben, war jetzt unerschü tterlich, und ich sagte es auch.

Ivy widersprach nicht.

Ich hatte das Bedü rfnis, mich zu rasieren, nicht weil ich's nö tig hatte, sondern einfach so. Um nicht auf Ivy zu warten. Aber mein Apparat war kaputt; ich ging von Steckdose zu Steckdose — er summte nicht.

Ivy fand mich tiptop.

Aber darum ging es ja nicht!

Ivy in Mantel und Hut —

Natü rlich war ich tiptop, ganz abgesehen davon, daß ich im Badezimmer noch einen andern Apparat hatte, einen ä lteren, der ging, aber darum ging es nicht, wie gesagt, ich hatte mich gesetzt, um den Apparat auseinanderzunehmen. Jeder Apparat kann einmal versagen; es macht mich nur nervö s, solange ich nicht weiß, warum.

»Walter«, sagte sie,»I’m waiting.«

Als hä tte unsereiner noch nie gewartet!

»Technology! «sagte sie — nicht nur verstä ndnislos, wie ich's von Frauen gewohnt bin, sondern geradezu spö ttisch, was mich nicht hinderte, das Apparä tchen vollkommen zu zerlegen; ich wollte wissen, was los ist.

 

— — —

 

Es war wieder ein purer Zufall, was die Zukunft entschied, nichts weiter, ein Nylon-Faden in dem kleinen Apparat — jedenfalls ein Zufall, daß wir nicht schon aus der Wohnung gegangen waren, als der Anruf von der CGT kam, derselbe vermutlich, den ich vor einer Stunde zwar gehö rt, aber nicht hatte abnehmen kö nnen, ein immerhin entscheidender Anruf: Mein Schiffplatz nach Europa kö nne nur gebucht werden, wenn ich sofort, spä testens bis zweiundzwanzig Uhr, mit meinem Paß vorbeikomme. Ich meine nur: Hä tte ich das Apparä tchen nicht zerlegt, so hä tte mich jener Anruf nicht mehr erreicht, das heiß t, meine Schiffreise wä re nicht zustande gekommen, jedenfalls nicht mit dem Schiff, das Sabeth benutzte, und wir wä ren einander nie auf der Welt begegnet, meine Tochter und ich.

 

— — —

 

Eine Stunde spä ter saß ich in einer Bar, meine Schiffskarte in der Tasche, unten am Hudson, vergnü gt, nachdem ich unser Schiff gesehen hatte, einen Riesenkahn mit erleuchteten Fenstern ü berall, Mä ste und Krane und die roten Kamine im Scheinwerfer — ich freute mich aufs Leben wie ein Jü ngling, wie schon lange nicht mehr. Meine erste Schifffahrt! Ich trank ein Bier und aß einen Hamburger, Mann unter Mä nnern, Hamburger mit viel Senf, denn ich hatte Hunger, sobald ich allein war, ich schob meinen Hut in den Nacken, ich leckte den Schaum von den Lippen, Blick auf einen Boxkampf in Television, ringsum standen Dockarbeiter, vor allem Neger, ich zü ndete mir eine Zigarette an und fragte mich, was man als Jü ngling eigentlich vom Leben erwartet hat —

Ivy wartete in der Wohnung.

Leider muß te ich zurü ck, ich muß te ja noch packen, aber es eilte nicht. Ich aß einen zweiten Hamburger.

Ich dachte an Joachim —

Ich hatte das Gefü hl, ein neues Leben zu beginnen, vielleicht bloß, weil ich noch nie eine Schiffreise gemacht hatte; jedenfalls freute ich mich auf meine Schiffreise.

Ich saß bis Mitternacht dort.

Ich hoffte, daß Ivy nicht mehr wartete, sondern die Geduld verloren und meine Wohnung verlassen hatte, bö se auf mich, da ich mich (ich wuß te es) wie ein Flegel benahm; aber anders wurde ich Ivy nicht los — ich zahlte und ging zu Fuß, um die Chance, Ivy nicht mehr zu treffen, nochmals um eine halbe Stunde zu vergrö ß ern; ich wuß te, daß sie zä he ist. — Sonst wuß te ich wenig von Ivy. — Sie ist katholisch, Mannequin, sie duldete Witze ü ber alles, bloß nicht ü ber den Papst, vielleicht ist sie lesbisch, vielleicht frigid, es war ihr ein Bedü rfnis, mich zu verfü hren, weil sie fand, ich sei ein Egoist, ein Unmensch, sie ist nicht dumm, aber ein biß chen pervers, so schien mir, komisch, dabei ein herzensguter Kerl, wenn sie nicht geschlechtlich wurde... Als ich in meine Wohnung trat, saß sie in Mantel und Hut, lä chelnd, obschon ich sie ü ber zwei Stunden hatte sitzen lassen, ohne Vorwurf.

»Everything okay? «fragte sie.

Es gab noch Wein in der Flasche.

»Everything okay! «sagte ich.

Ihr Aschenbecher war ü bervoll, ihr Gesicht etwas verheult, ich fü llte unsere Glä ser so gerecht als mö glich und bat um Entschuldigung wegen vorher. Strich darunter! Ich bin unausstehlich, wenn ich ü berarbeitet bin, und man ist meistens ü berarbeitet.

Unser Sauternes war lauwarm —

Als wir mit unseren halbvollen Glä sern anstieß en, wü nschte mir Ivy (sie stand) eine glü ckliche Reise, ein glü ckliches Leben ü berhaupt. Ohne Kuß. Wir tranken im Stehen wie bei diplomatischen Empfä ngen. Alles in allem, fand ich, hatten wir zusammen eine hü bsche Zeit verlebt, Ivy fand es auch, unsere Wochenenden drauß en auf Fire Island, auch unsere Abende auf dem Dachgarten hier —


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