Ãëàâíàÿ ñòðàíèöà Ñëó÷àéíàÿ ñòðàíèöà ÊÀÒÅÃÎÐÈÈ: ÀâòîìîáèëèÀñòðîíîìèÿÁèîëîãèÿÃåîãðàôèÿÄîì è ñàäÄðóãèå ÿçûêèÄðóãîåÈíôîðìàòèêàÈñòîðèÿÊóëüòóðàËèòåðàòóðàËîãèêàÌàòåìàòèêàÌåäèöèíàÌåòàëëóðãèÿÌåõàíèêàÎáðàçîâàíèåÎõðàíà òðóäàÏåäàãîãèêàÏîëèòèêàÏðàâîÏñèõîëîãèÿÐåëèãèÿÐèòîðèêàÑîöèîëîãèÿÑïîðòÑòðîèòåëüñòâîÒåõíîëîãèÿÒóðèçìÔèçèêàÔèëîñîôèÿÔèíàíñûÕèìèÿ×åð÷åíèåÝêîëîãèÿÝêîíîìèêàÝëåêòðîíèêà |
Homo Faber 6 ñòðàíèöà
Ich setzte mich wieder hin. Der pfeifende Wind im Kamin — Wellenschä ume — Einmal ein Frachter am Horizont — Ich langweilte mich, daher die Spintisiererei um Hanna; ich lag, meine Beine auf das weiß e Gelä nder gestü tzt, das die Vibration nicht lassen kann, und was ich von Hanna wuß te, war gerade genug fü r einen Steckbrief, der nichts nü tzt, wenn die Person nicht hier ist. Ich sah sie nicht, wie gesagt, nicht einmal mit geschlossenen Augen. Zwanzig Jahre sind eine Zeit. Stattdessen (ich machte die Augen auf, weil jemand an meinen Sessel gestoß en war —) wieder das junge Ding, das Frä ulein Elisabeth Piper heiß t. Ihr Pingpong war zu Ende. Am meisten frappierte mich, wie sie im Gesprä ch, um ihren Widerspruch zu zeigen, ihren Roß schwanz in den Nacken wirft (dabei hat Hanna nie einen Roß schwanz getragen!), oder wie sie ihre Achsel zuckt, wenn's ihr durchaus nicht gleichgü ltig ist, bloß aus Stolz. Vor allem aber: das kleine und kurze Rü mpfen ihrer Stirne zwischen den Brauen, wenn sie einen Witz von mir, obschon sie lachen muß, eigentlich blö d findet. Es frappierte mich, es beschä ftigte mich nicht. Es gefiel mir. Schließ lich gibt es Gesten, die einem gefallen, weil man sie irgendwo schon einmal gesehen hat. Ich habe stets ein Fragezeichen gemacht, wenn von Ä hnlichkeit die Rede ist; aus Erfahrung. Was haben wir uns krumm gelacht, mein Bruder und ich, wenn die guten Leute, die's nicht wissen konnten, unsere frappante Ä hnlichkeit bemerkten! Mein Bruder war adoptiert. Wenn jemand mit der rechten Hand (zum Beispiel) um den Hinterkopf greift, um sich an der linken Schlä fe zu kratzen, so frappiert es mich, ich muß sofort an meinen Vater denken, aber nie im Leben komme ich auf die Idee, jedermann fü r den Bruder meines Vaters zu halten, bloß weil er sich so kratzt. Ich halte es mit der Vernunft. Bin kein Baptist und kein Spiritist. Wieso vermuten, daß irgendein Mä dchen, das Elisabeth Piper heiß t, eine Tochter von Hanna ist. Hä tte ich damals auf dem Schiff (oder spä ter) auch nur den mindesten Verdacht gehabt, es kö nnte zwischen dem jungen Mä dchen und Hanna, die mir nach der Geschichte mit Joachim begreiflicherweise durch den Kopf ging, ein wirklicher Zusammenhang bestehen, selbstverstä ndlich hä tte ich sofort gefragt: Wer ist Ihre Mutter? Wie heiß t sie? Woher kommt sie? — ich weiß nicht, wie ich mich verhalten hä tte, jedenfalls anders, das ist selbstverstä ndlich, ich bin ja nicht krankhaft, ich hä tte meine Tochter als meine Tochter behandelt, ich bin nicht pervers! Alles war so natü rlich — Eine harmlose Reisebekanntschaft — Einmal war Sabeth etwas seekrank; statt auf Deck zu gehen, wie empfohlen, wollte sie in ihre Kabine, dann Erbrechen im Korridor, ihr Schnä uzchen-Freund legte sie aufs Bett, als wä re er ihr Mann. Zum Glü ck war ich dabei. Sabeth in ihren schwarzen Cowboy-Hosen, ihr Gesicht seitwä rts gedreht, weil ihr Roß schwanz es anders nicht zuließ, wie's gerade kam, lahm und gespreizt, bleich wie Lehm. Er hielt ihre Hand. Ich schraubte sofort ein Bullauge auf, um mehr Luft zu verschaffen, und reichte Wasser — »Danke sehr! «sagte er, wä hrend er auf dem Rand ihres Bettes hockte; er schnü rte ihre Espadrilles auf, um Samariter zu spielen. Als kä me ihre Ü belkeit aus den Fü ß en! Ich blieb in der Kabine. Ihr roter Gü rtel war viel zu eng, man sah's, ich fand es nicht unsere Sache, ihr den Gü rtel zu lö sen — Ich stellte mich vor. Kaum hatten wir uns die Hä nde gegeben, setzte er sich wieder auf den Rand ihres Bettes. Vielleicht war er wirklich ihr Freund. Sabeth war schon eine richtige Frau, wenn sie so lag, kein Kind; ich nahm eine Decke vom oberen Bett, da sie vielleicht fror, und deckte sie zu. »Danke! «sagte er — Ich wartete einfach, bis der junge Mann gleichfalls fand, es gä be nichts mehr zu tun, wir sollten das Mä dchen jetzt allein lassen — »Tschau! «sagte er. Ich durchschaute ihn, er wollte mich irgendwo auf Deck verlieren, um dann allein in ihre Kabine zurü ckzukehren. Ich forderte ihn zu einem Pingpong... So blö d, wie vermutet, war er nicht, wenn auch keineswegs sympathisch. Wieso trä gt man ein Schnä uzchen? Zum Pingpong kam's nicht, da wieder beide Tische besetzt waren; stattdessen verwickelte ich ihn in ein Gesprä ch — natü rlich in Hochdeutsch! — ü ber Turbinen, er war Grafiker von Beruf, Kü nstler, aber tü chtig. Sowie er merkte, daß man bei mir nicht landet mit Malerei und Theater und derartigem, redete er kaufmä nnisch, nicht skrupellos, aber tü chtig, Schweizer, wie sich herausstellte — Ich weiß nicht, was Sabeth an ihm fand. Meinerseits kein Grund zu Minderwertigkeitsgefü hlen, ich bin kein Genie, immerhin ein Mann in leitender Stellung, nur vertrage ich immer weniger diese jungen Leute, ihre Tonart, ihr Genie, dabei handelt es sich um lauter Zukunftsträ ume, womit sie sich so groß artig vorkommen, und es interessiert sie einen Teufel, was unsereiner in dieser Welt schon tatsä chlich geleistet hat; wenn man es ihnen einmal aufzä hlt, lä cheln sie hö flich. »Ich will Sie nicht aufhalten! «sagte ich. »Sie entschuldigen mich? « »Bitte! «sagte ich — Als ich die Tabletten brachte, die mir geholfen hatten, wollte Sabeth niemand in ihre Kabine lassen. Sie war komisch dabei angekleidet, wie ich durch die Tü rspalte sah. Ich hatte ihr vorher die Tabletten versprochen, nur drum. Sie nahm die Tabletten durch die Tü rspalte. Ob er in ihrer Kabine war, weiß ich nicht. Ich ersuchte das Mä dchen, die Tabletten auch wirklich zu nehmen. Ich wollte ihr ja nur helfen; denn mit Hä ndchenhalten und Espadrilles-Ausziehen war ihr nicht geholfen. Es interessierte mich wirklich nicht, ob ein Mä dchen wie Sabeth (ihre Unbefangenheit blieb mir immer ein Rä tsel) schon einmal mit einem Mann zusammengewesen ist oder nicht, ich fragte mich bloß. Was ich damals wuß te: Ein Semester in Yale, scholarship, jetzt auf der Heimreise zur Mama, die in Athen lebt, Herr Piper hingegen in Ostdeutschland, weil immer noch vom Kommunismus ü berzeugt, ihre Hauptsorge in diesen Tagen: ein billiges Hotel in Paris zu finden — dann will sie mit Autostop nach Rom (was ich einen Wahnsinn fand) und weiß nicht, was aus ihr werden soll. Kinderä rztin oder Kunstgewerblerin oder so etwas, vielleicht auch Stewardeß, um viel fliegen zu kö nnen, unter allen Umstä nden mö chte sie einmal nach Indien und nach China. Sabeth schä tzte mich (auf meine Frage hin) vierzig, und als sie vernahm, daß ich demnä chst fü nfzig bin, verwunderte es sie auch nicht. Sie selbst war zwanzig. Was ihr am meisten Eindruck machte an mir: daß ich mich an den ersten Atlantikflug von Lindbergh (1927) noch persö nlich erinnere, indem ich damals zwanzig war. Sie rechnete nach, bevor sie's glaubte! An meinem Alter, von Sabeth aus gesehen, wü rde es nichts mehr verä ndert haben, glaube ich, wenn ich im gleichen Ton auch noch von Napoleon erzä hlt hä tte. Ich stand meistens am Gelä nder, weil es nicht ging, daß Sabeth (meistens im Badkleid) auf dem Boden sitzt, wä hrend ich im Sessel liege; das war mir zu onkelhaft, und umgekehrt: Sabeth im Sessel, wä hrend ich mit verschrä nkten Beinen daneben hocke, das war ebenfalls komisch — Keinesfalls wollte ich mich aufdrä ngen. Ich spielte Schach mit Mister Lewin, der seinen Kopf bei der Landwirtschaft hatte, oder mit anderen Passagieren, die nach spä testens zwanzig Zü gen matt sind; es war langweilig, aber ich langweilte lieber mich als das Mä dchen, das heiß t, ich ging wirklich nur zu Sabeth, wenn ich etwas zu sagen wuß te. Ich verbot ihr, Stewardeß zu werden. Sabeth war meistens in ihr dickes Buch vertieft, und wenn sie von Tolstoi redete, fragte ich mich wirklich, was so ein Mä dchen eigentlich von Mä nnern weiß. Ich kenne Tolstoi nicht. Natü rlich foppte sie mich, wenn sie sagte: »Jetzt reden Sie wieder wie Tolstoi! « Dabei verehrte sie Tolstoi. Einmal, in der Bar, erzä hlte ich — ich weiß nicht warum —plö tzlich von meinem Freund, der es nicht ausgehalten hat, und wie wir ihn gefunden haben: — zum Glü ck hinter geschlossenen Tü ren, sonst hä tten die Zopilote ihn wie einen toten Esel auseinandergezerrt. Sabeth meinte, ich ü bertreibe. Ich trank meinen dritten oder vierten Pernod, lachte und berichtete, wie das aussieht, wenn einer am Draht hä ngt: zwei Fü ß e ü ber dem Boden, als kö nne er schweben — Der Sessel war umgefallen. Er hatte einen Bart. Wozu ich's erzä hlte, keine Ahnung, Sabeth fand mich zynisch, weil ich lachen muß te; er war wirklich steif wie eine Puppe — Dazu rauchte ich viel. Sein Gesicht: schwarz vom Blut. Er drehte sich wie eine Vogelscheuche im Wind — Ferner stank er. Seine Fingernä gel violett, seine Arme grau, seine Hä nde weiß lich, Farbe von Schwä mmen — Ich erkannte ihn nicht mehr. Seine Zunge auch blä ulich — Eigentlich gab es gar nichts zu erzä hlen, einfach ein Unglü cksfall, er drehte sich im warmen Wind, wie gesagt, oberhalb des Drahtes gedunsen — Ich wollte gar nicht erzä hlen. Seine Arme: steif wie zwei Stecken — Leider waren meine Guatemala-Filme noch nicht entwickelt, man kann das nicht beschreiben, man muß es sehen, wie es ist, wenn einer so hä ngt. Sabeth in ihrem blauen Abendkleidchen — Manchmal hing er plö tzlich vor meinen Augen, mein Freund, als hä tten wir ihn gar nicht begraben, plö tzlich —vielleicht weil in dieser Bar auch ein Radio tö nte, er hatte nicht einmal sein Radio abgestellt. So war das. Als wir ihn fanden, wie gesagt, spielte sein Radio. Nicht laut. Zuerst meinten wir noch, es spreche jemand im anderen Zimmer drü ben, aber da war kein anderes Zimmer drü ben, mein Freund lebte ganz allein, und erst als Musik folgte, merkten wir, daß es Radio sein muß te, natü rlich stellten wir sofort ab, weil unpassend, weil Tanzmusik — Sabeth stellte Fragen. Warum er's getan hat? Er sagte es nicht, sondern hing wie eine Puppe und stank, wie schon gesagt, und drehte sich im warmen Wind — So war das. Als ich aufstand, stü rzte mein Stuhl, Lä rm, Aufsehen in der Bar, aber das Mä dchen stellte ihn auf, meinen Stuhl, als wä re nichts dabei, und wollte mich in die Kabine begleiten, aber ich wollte nicht. Ich wollte auf Deck. Ich wollte allein sein — Ich war betrunken. Hä tte ich damals den Namen genannt, Joachim Hencke, so hä tte sich alles aufgeklä rt. Offenbar erwä hnte ich nicht einmal seinen Vornamen, sondern redete einfach von einem Freund, der sich in Guatemala erhä ngt hat, von einem tragischen Unglü cksfall. Einmal filmte ich sie. Als Sabeth es endlich entdeckte, streckte sie die Zunge heraus; ich filmte sie mit der gestreckten Zunge, bis sie, zornig ohne Spaß, mich regelrecht anschnauzte. Was mir eigentlich einfalle? Sie fragte mich rundheraus: Was wollen Sie ü berhaupt von mir? Das war am Vormittag. Ich hä tte Sabeth fragen sollen, ob sie Mohammedanerin sei, daß man sie nicht filmen darf, oder sonst aberglä ubisch. Was bildete das Mä dchen sich ein? Ich war durchaus bereit, den betreffenden Film (mitsamt den Tele-Aufnahmen von der winkenden Ivy) herauszuziehen und in die Sonne zu halten, um alles zu lö schen: Bitte! Am meisten ä rgerte mich, daß ihr Ton mich den ganzen Vormittag beschä ftigte, die Frage, wofü r das Mä dchen mich hielt, wenn sie sagte: »Sie beobachten mich die ganze Zeit, Mister Faber, ich mag das nicht! « Ich war ihr nicht sympathisch. Das stand fest, und ich machte mir keine falsche Hoffnung, als ich sie spä ter, kurz nach dem Mittagessen, an mein Versprechen erinnerte, ihr zu sagen, wenn ich den Maschinenraum besichtige. »Jetzt? «fragte sie. Sie muß te ein Kapitel zu Ende lesen. »Bitte! «sagte ich. Ich schrieb sie ab. Ohne beleidigt zu sein. Ich habe es immer so gehalten; ich mag mich selbst nicht, wenn ich andern Menschen lä stig bin, und es ist nie meine Art gewesen, Frauen nachzulaufen, die mich nicht mö gen; ich habe es nicht nö tig gehabt, offen gestanden... Der Maschinenraum eines solchen Schiffes hat den Umfang einer ordentlichen Fabrik, zur Hauptsache bestehend aus dem groß en Dieseltriebwerk, hinzu kommen die Anlagen fü r Stromerzeugung, Warmwasser, Lü ftung. Wenn auch fü r den Fachmann nichts Ungewohntes zu sehen ist, so finde ich die Anlage als solche, bedingt durch den Schiffkö rper, doch sehenswert, ganz abgesehen davon, daß es immer Freude macht, Maschinen im Betrieb zu sehen. Ich erlä uterte die Hauptschaltbrettanlage, ohne auf Einzelheiten einzugehen; immerhin erlä uterte ich in Kü rze, was ein Kilowatt ist, was Hydraulik ist, was ein Ampè re ist, Dinge, die Sabeth natü rlich aus der Schule kannte, beziehungsweise vergessen hatte, aber ohne Mü he wieder verstand. Am meisten imponierten ihr die vielen Rö hren, gleichgü ltig wozu sie dienten, und der groß e Treppenschacht, Blick durch fü nf oder sechs Stockwerke hinauf in den vergitterten Himmel. Es beschä ftigte sie, daß die Maschinisten, die sie alle so freundlich fand, die ganze Zeit schwitzten und ihr Leben lang auf dem Ozean fahren, ohne den Ozean zu sehen. Ich bemerkte, wie sie gafften, wenn das Mä dchen (das sie offensichtlich fü r meine Tochter hielten) von Eisenleiter zu Eisenleiter kletterte. »Ç a va, Mademoiselle, ç a va? « Sabeth kletterte wie eine Katze. »Pas trop vite, ma petite —! « Ihre Mä nner-Grimassen waren unverschä mt, fand ich, aber Sabeth bemerkte ü berhaupt nichts von alledem, Sabeth in ihren schwarzen Cowboy-Hosen mit den ehemals weiß en Nä hten, der grü ne Kamm in ihrer Hintertasche, ihr rö tlicher Roß schwanz, der ü ber den Rü cken baumelt, unter ihrem schwarzen Pullover die zwei Schulterblä tter, die Kerbe in ihrem straffen und schlanken Rü cken, dann ihre Hü ften, die jugendlichen Schenkel in der schwarzen Hose, die bei den Waden gekrempelt sind, ihre Knö chel — ich fand sie schö n, aber nicht aufreizend. Nur sehr schö n! Wir standen vor dem glä sernen Guckloch eines Dieselbrenners, den ich in Kü rze erlä uterte, meine Hä nde in den Hosentaschen, um nicht ihren nahen Arm oder ihre Schulter zu fassen wie der Baptist neulich beim Frü hstü ck. Ich wollte das Mä dchen nicht anfassen. Plö tzlich kam ich mir senil vor — Ich faß te ihre beiden Hü ften, als ihr Fuß vergeblich nach der untersten Sprosse einer Eisenleiter suchte, und hob sie kurzerhand auf den Boden. Ihre Hü ften waren merkwü rdig leicht, zugleich stark, anzufassen wie das Steuerrad meines Studebakers, graziö s, im Durchmesser genau so —eine Sekunde lang, dann stand sie auf dem Podest aus gelochtem Blech, ohne im mindesten zu errö ten, sie dankte fü r die unnö tige Hilfe und wischte sich ihre Hä nde an einem Bü ndel bunter Putzfä den. Auch fü r mich war nichts Aufreizendes dabei gewesen, und wir gingen weiter zu den groß en Schraubenwellen, die ich ihr noch zeigen wollte. Probleme der Torsion, Reibungskoeffizient, Ermü dung des Stahls durch Vibration und so fort, daran dachte ich nur im stillen, beziehungsweise in einem Lä rm, wo man kaum sprechen konnte — erlä uterte dem Mä dchen lediglich, wo wir uns jetzt befinden, nä mlich wo die Schraubenwellen aus dem Schiffskö rper stoß en, um drauß en die Schrauben zu treiben. Man muß te brü llen. Schä tzungsweise acht Meter unterm Wasserspiegel! Ich wollte mich erkundigen. Schä tzungsweise! schrie ich: Vielleicht nur sechs Meter! Hinweis auf den beträ chtlichen Wasserdruck, den diese Konstruktion auszuhalten hat, war schon wieder zuviel —ihre kindliche Fantasie schon drauß en bei den Fischen, wä hrend ich auf die Konstruktion zeigte. Hier! rief ich und nahm ihre Hand, legte sie auf die Siebzigmillimeter-Niete, damit sie verstand, was ich erklä rte. Haifische? Ich verstand kein anderes Wort. Wieso Haifische? Ich schrie zurü ck: Weiß ich nicht! und zeigte auf die Konstruktion, ihre Augen starrten. Ich hatte ihr etwas bieten wollen. Unsere Reise ging zu Ende, ich fand es schade, plö tzlich das letzte Fä hnlein auf der Atlantik-Karte, ein Rest von sieben Zentimetern: ein Nachmittag und eine Nacht und ein Vormittag — Mister Lewin packte schon. Gesprä ch ü ber Trinkgelder — Wenn ich mir vorstellte, wie man sich in vierundzwanzig Stunden verabschieden wird, Lebwohl nach allen Seiten, Lebwohl mit lauter guten Wü nschen und Humor, Mister Lewin: Viel Glü ck in der Landwirtschaft! und unser Baptist: Viel Glü ck im Louvre! und das Mä dchen mit dem rö tlichen Roß schwanz und mit seiner unbeschriebenen Zukunft: Viel Glü ck! — es machte mir Mü he, wenn ich daran dachte, daß man nie wieder voneinander hö ren wird. Ich saß in der Bar — Reisebekanntschaften! Ich wurde sentimental, was sonst nicht meine Art ist, und es gab einen groß en Ball, wie offenbar ü blich, es war der letzte Abend an Bord, zufä llig mein fü nfzigster Geburtstag; davon sagte ich natü rlich nichts. Es war mein erster Heiratsantrag. Eigentlich saß ich mit Mister Lewin, der sich aus Bä llen mit Tanz auch nichts machte, ich hatte ihn (ohne den besonderen Anlaß zu verraten) zu einem Burgunder eingeladen, zum besten, was an Bord ü berhaupt zu haben war (man ist nur einmal 50, dachte ich): Beaune 1933, groß artig im Bouquet, im Nachgeschmack etwas dü rftig, zu kurz, leider auch zu wenig trü be, was Mister Lewin, dem sogar kalifornischer Burgundy mundet, nichts ausmachte. Ich war enttä uscht (ich hatte mir meinen 50. Geburtstag etwas anders vorgestellt, offen gestanden!) von dem Wein, aber sonst zufrieden, Sabeth erschien nur so auf einen Sprung, um einen Schluck von ihrem Citron-pressé zu nehmen, dann schon wieder ein Tä nzer, ihr Schnä uzchen-Grafiker, dazwischen Schiffsoffiziere in Gala, blank wie in einer Operette, Sabeth in ihrem immergleichen blauen Abendkleidchen, nicht geschmacklos, aber billig, zu kindlich... Ich ü berlegte, ob ich nicht zu Bett gehen wollte, ich spü rte meinen Magen, und wir saß en zu nahe bei der Musik, ein Heidenlä rm, dazu dieser kunterbunte Karneval, wo man hinsieht, Lampions, im Dunst von Zigaretten und Zigarren verschwommen wie die Sonne in Guatemala, Papierschlangen, Girlanden ü berall, ein Dschungel von Firlefanz, grü n und rot, Herren im Smoking, schwarz wie Zopilote, deren Gefieder genau so glä nzt — Daran wollte ich nicht denken. Ü bermorgen in Paris — das war ungefä hr alles, was ich denken konnte in diesem Rummel — werde ich zu einem Arzt gehen, um einmal meinen Magen untersuchen zu lassen. Es war ein komischer Abend — Mister Lewin wurde geradezu amü sant, da er Wein nicht gewohnt war, und hatte plö tzlich Mut genug, mit Sabeth zu tanzen, der Riesenkerl; sie reichte ihm bis zu den Rippen, wä hrend er, um sich nicht in Papierschlangen zu verfangen, seinen Kopf duckte. Sabeth redete zu ihm hinauf. Mister Lewin hatte keinen dunklen Anzug und tanzte alles auf Mazurka, weil in Polen geboren, Kindheit im Ghetto und so fort. Sabeth muß te sich strecken, um ihn um die Schulter zu fassen, wie ein Schulmä dchen in der Straß enbahn, wenn es sich halten will. Ich saß und schwenkte meinen Burgunder, entschlossen, nicht sentimental zu werden, weil ich Geburtstag habe, und trank. Was deutsch war, trank Sekt beziehungsweise Champagner; ich muß te doch an Herbert denken, beziehungsweise an die Zukunft der deutschen Zigarre und was Herbert, allein unter Indios, wohl machte. Spä ter ging ich auf Deck. Ich war vollkommen nü chtern, und als Sabeth mich aufsuchte, sagte ich sofort, sie werde sich nur erkä lten, Sabeth in ihrem dü nnen Abendkleidchen. Ob ich traurig sei, wollte sie wissen. Weil ich nicht tanzte. Ich finde sie lustig, ihre heutigen Tä nze, lustig zum Schauen, diese existentialistische Hopserei, wo jeder fü r sich allein tanzt, seine eignen Faxen schwingt, verwickelt in die eignen Beine, geschü ttelt wie von einem Schü ttelfrost, alles etwas epileptisch, aber lustig, sehr temperamentvoll, muß ich sagen, aber ich kann das nicht. Wieso sollte ich traurig sein? England noch nicht in Sicht — Dann gab ich ihr meine Jacke, damit sie sich nicht erkä ltete; ihr Roß schwanz wollte einfach nicht hinten bleiben, so windete es. Die roten Kamine im Scheinwerfer — Sabeth fand es toll, so eine Nacht auf Deck, wenn es pfeift in allen Seilen und knattert, die Segeltü cher an den Rettungsbooten, der Rauch aus dem Kamin — Die Musik war kaum noch zu hö ren. Wir sprachen ü ber Sternbilder — das Ü bliche, bis man weiß, wer sich im Himmel noch weniger auskennt als der andere, der Rest ist Stimmung, was ich nicht leiden kann. Ich zeigte ihr den Komet, der in jenen Tagen zu sehen war, im Norden. Es fehlte wenig, und ich hä tte gesagt, daß ich Geburtstag habe. Daher der Komet! Aber es stimmte ja nicht einmal zum Spaß; der Komet war schon seit einer halben Woche sichtbar, wenn auch nie so deutlich wie in dieser Nacht, mindestens seit dem 26. IV. Also von meinem Geburtstag (29. IV.) sagte ich nichts. »Ich wü nsche mir zweierlei«, sagte ich,»zum Abschied. Erstens, daß Sie nicht Stewardeß werden —« »Zweitens? « »Zweitens«, sagte ich,»daß Sie nicht mit Autostop nach Rom fahren. Im Ernst! Lieber zahle ich Ihnen die Bahn oder das Flugzeug —« Ich habe damals nicht einen Augenblick daran gedacht, daß wir zusammen nach Rom fahren wü rden, Sabeth und ich, der ich in Rom nichts verloren hatte. Sie lachte mir ins Gesicht. Sie miß verstand mich. Nach Mitternacht gab es ein kaltes Bü ffet, wie ü blich — ich behauptete, hungrig zu sein, und fü hrte Sabeth hinunter, weil sie schlotterte, ich sah es, trotz meiner Jacke. Ihr Kinn schlotterte. Drunten war noch immer Ball — Ihre Vermutung, ich sei traurig, weil allein, verstimmte mich. Ich bin gewohnt, allein zu reisen. Ich lebe, wie jeder wirkliche Mann, in meiner Arbeit. Im Gegenteil, ich will es nicht anders und schä tze mich glü cklich, allein zu wohnen, meines Erachtens der einzigmö gliche Zustand fü r Mä nner, ich genieß e es, allein zu erwachen, kein Wort sprechen zu mü ssen. Wo ist die Frau, die das begreift? Schon die Frage, wie ich geschlafen habe, verdrieß t mich, weil ich in Gedanken schon weiter bin, gewohnt, voraus zu denken, nicht rü ckwä rts zu denken, sondern zu planen. Zä rtlichkeiten am Abend, ja, aber Zä rtlichkeiten am Morgen sind mir unerträ glich, und mehr als drei oder vier Tage zusammen mit einer Frau war fü r mich, offen gestanden, stets der Anfang der Heuchelei, Gefü hle am Morgen, das erträ gt kein Mann. Dann lieber Geschirr waschen! Sabeth lachte — Frü hstü ck mit Frauen, ja, ausnahmsweise in den Ferien, Frü hstü ck auf einem Balkon, aber lä nger als drei Wochen habe ich es nie ertragen, offen gestanden, es geht in den Ferien, wenn man sowieso nicht weiß, was anfangen mit dem ganzen Tag, aber nach drei Wochen (spä testens) sehne ich mich nach Turbinen; die Muß e der Frauen am Morgen, zum Beispiel eine Frau, die am Morgen, bevor sie angekleidet ist, imstande ist, Blumen anders in die Vase zu stellen, dazu Gesprä ch ü ber Liebe und Ehe, das erträ gt kein Mann, glaube ich, oder er heuchelt. Ich muß te an Ivy denken; Ivy heiß t Efeu, und so heiß en fü r mich eigentlich alle Frauen. Ich will allein sein! Schon der Anblick eines Doppelzimmers, wenn nicht in einem Hotel, das man bald wieder verlassen kann, sondern Doppelzimmer als Dauer-Einrichtung, das ist fü r mich so, daß ich an Fremdenlegion denke — Sabeth fand mich zynisch. Es ist aber so, wie ich sagte. Ich redete nicht weiter, obschon Mister Lewin, glaube ich, kein Wort verstand; er legte sofort die Hand ü ber sein Glas, als ich nachfü llen wollte, und Sabeth, die mich zynisch fand, wurde zum Tanz geholt... Ich bin nicht zynisch. Ich bin nur, was Frauen nicht vertragen, durchaus sachlich. Ich bin kein Unmensch, wie Ivy behauptet, und sage kein Wort gegen die Ehe; meistens fanden die Frauen selbst, daß ich mich nicht dafü r eigne. Ich kann nicht die ganze Zeit Gefü hle haben. Alleinsein ist der einzigmö gliche Zustand fü r mich, denn ich bin nicht gewillt, eine Frau unglü cklich zu machen, und Frauen neigen dazu, unglü cklich zu werden. Ich gebe zu: Alleinsein ist nicht immer lustig, man ist nicht immer in Form. Ü brigens habe ich die Erfahrung gemacht, daß Frauen, sobald unsereiner nicht in Form ist, auch nicht in Form bleiben; sobald sie sich langweilen, kommen die Vorwü rfe, man habe keine Gefü hle. Dann, offen gestanden, langweile ich mich noch lieber allein. Ich gebe zu: auch ich bin nicht immer fü r Television aufgelegt (obschon ü berzeugt, daß die Television in den nä chsten Jahren auch noch besser wird, nebenbei bemerkt) und Stimmungen ausgeliefert, aber gerade dann begrü ß e ich es, allein zu sein. Zu den glü cklichsten Minuten, die ich kenne, gehö rt die Minute, wenn ich eine Gesellschaft verlassen habe, wenn ich in meinem Wagen sitze, die Tü re zuschlage und das Schlü sselchen stecke, Radio andrehe, meine Zigarette anzü nde mit dem Glü her, dann schalte, Fuß auf Gas; Menschen sind eine Anstrengung fü r mich, auch Mä nner. Was die Stimmung betrifft, so mache ich mir nichts draus, wie gesagt. Manchmal wird man weich, aber man fä ngt sich wieder. Ermü dungserscheinungen! Wie beim Stahl, Gefü hle, so habe ich festgestellt, sind Ermü dungserscheinungen, nichts weiter, jedenfalls bei mir. Man macht schlapp! Dann hilft es auch nichts, Briefe zu schreiben, um nicht allein zu sein. Es ä ndert nichts; nachher hö rt man doch nur seine eignen Schritte in der leeren Wohnung. Schlimmer noch: diese Radio-Sprecher, die Hundefutter anpreisen, Backpulver oder was weiß ich, dann plö tzlich verstummen: Auf Wiederhö ren morgen frü h! Dabei ist es erst zwei Uhr. Dann Gin, obschon ich Gin, einfach so, nicht mag, dazu Stimmen von der Straß e, Hupen beziehungsweise das Drö hnen der Subway, ab und zu das Drö hnen von Flugzeugen, es ist ja egal. Es kommt vor, daß ich dann einfach einschlafe, die Zeitung auf dem Knie, die Zigarette auf dem Teppich. Ich reiß e mich zusammen. Wozu? Irgendwo noch ein Spä tsender mit Sinfonien, die ich abstelle. Was weiter? Dann stehe ich einfach da, Gin im Glas, den ich nicht mag, und trinke; ich stehe, um keine Schritte zu hö ren in meiner Wohnung, Schritte, die doch nur meine eignen sind. Alles ist nicht tragisch, nur mü hsam: Man kann sich nicht selbst Gutnacht sagen — Ist das ein Grund zum Heiraten? Sabeth, von ihrem Tanz zurü ck, um ihr Citron-pressé zu trinken, stupste mich: — Mister Lewin schlief, der Riesenkerl, lä chelnd, als sehe er den ganzen Rummel auch so, die Papierschlangen, die Kinderballons, die sich die Paare gegenseitig verknallen muß ten. Was ich die ganze Zeit denke? fragte sie. Ich wuß te es nicht. Was sie denn denke? fragte ich. Sie wuß te es sofort: »Sie sollten heiraten, Mister Faber! « Dann neuerdings ihr Freund, der sie drauß en auf allen Decks gesucht hatte, um sie zum Tanz zu bitten, sein Blick zu mir — »Aber bitte sehr! «sagte ich. Ich behielt nur ihre Handtasche. Ich wuß te genau, was ich denke. Es gibt keine Wö rter dafü r. Ich schwenkte mein Glas, um zu riechen, und wollte nicht daran denken, wie Mann und Weib sich paaren, trotzdem die plö tzliche Vorstellung davon, unwillkü rlich, Verwunderung, Schreck wie im Halbschlaf. Warum gerade so? Einmal von auß en gedacht: Wieso eigentlich mit dem Unterleib? Man hä lt es, wenn man so sitzt und die Tanzenden sieht und es sich in aller Sachlichkeit vorstellt, nicht fü r menschenmö glich. Warum gerade so? Es ist absurd, wenn man nicht selber durch Trieb dazu genö tigt ist, man kommt sich verrü ckt vor, auch nur eine solche Idee zu haben, geradezu pervers.
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