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Homo Faber 5 ñòðàíèöà






Strich darunter! sagte auch Ivy.

Sie sah entzü ckend aus, dabei die Vernunft in Person, sie hatte die Figur eines Buben, nur ihre Brust war sehr weiblich, ihre Hü ften schmal, wie es sich fü r Mannequins gehö rt.

So standen wir und nahmen Abschied.

Ich kü ß te sie —

Sie verweigerte jeden Kuß.

Wä hrend ich sie hielt, ohne etwas anderes zu wollen als einen letzten Kuß, und ihren Kö rper spü rte, drehte sie ihr Gesicht zur Seite; ich kü ß te zum Trotz, wä hrend Ivy rauchte und ihre Zigarette nicht preisgab, ich kü ß te ihr Ohr, ihren straffen Hals, ihre Schlä fe, ihr bitteres Haar —

Sie stand wie eine Kleiderpuppe.

Sie rauchte nicht nur ihre Zigarette, als wä re es die letzte, hinunter bis zum Filter, in der anderen Hand hielt sie ihr leeres Glas.

Ich weiß nicht, wie es wieder kam —

Ich glaube, Ivy wollte, daß ich mich haß te, und verfü hrte mich bloß, damit ich mich haß te, und das war ihre Freude dabei, mich zu demü tigen, die einzige Freude, die ich ihr geben konnte.

Manchmal fü rchtete ich sie.

Wir saß en wieder wie vor Stunden —

Ivy wollte schlafen.

Als ich Dick nochmals anrief — ich wuß te mir nicht anders zu helfen — war es Mitternacht vorbei, Dick hatte nun seinerseits Gesellschaft, ich bat ihn, mit der ganzen Bande herü berzukommen. Man hö rte sie durchs Telefon, seine Gesellschaft, Gewirr von besoffenen Stimmen. Ich beschwor ihn. Aber Dick war erbarmungslos. Erst als Ivy sich an den Hö rer hä ngte, bequemte sich Dick zu dem Freundesdienst, mich nicht mit Ivy allein zu lassen.

Ich war todmü de.

Ivy kä mmte sich zum dritten Mal —

Endlich, als ich im Schaukelstuhl eingeschlafen war, kamen sie: sieben oder neun Mä nner, davon drei wie Invalide, die man aus dem Lift schleppen muß te. Einer streikte, als er hö rte, daß eine Frau zugegen wä re; das war ihm zuviel oder zuwenig. Er ging, besoffen wie er war, die Treppe hinunter, schimpfend, sechzehn Stockwerke.

Dick stellte vor:

»This is a friend of mine —«

Ich glaube, er kannte die Brü der selber nicht, jemand wurde vermiß t. Ich erklä rte, daß einer umgekehrt war; Dick fü hlte sich verantwortlich, daß keine Freunde verlorengingen, und zä hlte sie mit Fingern, um nach langem Hin und Her festzustellen, daß immer noch einer fehlte.

»He's lost«, sagte er,»anyhow —«

Natü rlich versuchte ich, alles von der komischen Seite zu nehmen, auch als die indianische Vase in Trü mmer ging, die gar nicht mir gehö rte.

Ivy fand mich humorlos.

Ich hatte auch nach einer Stunde noch keine Ahnung, wer diese Leute waren. Einer sollte ein berü hmter Artist sein. Um es zu beweisen, drohte er, einen Handstand auf dem Gelä nder unseres sechzehnten Stockwerkes zu machen, was verhindert werden konnte; dabei fiel eine Whisky-Flasche ü ber die Fassade hinunter — natü rlich war er kein Artist, sondern sie sagten es bloß, um mich zu foppen, ich weiß nicht warum. Zum Glü ck war niemand getroffen worden! Ich war sofort hinuntergegangen, darauf gefaß t, eine Ansammlung von Leuten zu treffen, Sanitä t, Blut, Polizei, die mich verhaften wü rde. Aber nichts von alledem! Als ich in meine Wohnung zurü ckkehrte, brachen sie in Gelä chter aus; denn es wä re gar keine Whisky-Flasche ü ber die Fassade hinuntergefallen —

Ich wuß te nicht, was stimmte.

Als ich gelegentlich auf die Toilette ging, war die Tü r verriegelt. Ich holte einen Schraubenzieher und sprengte die Tü re. Einer saß am Boden und rauchte und wollte wissen, wie ich heiß e.

So ging's die ganze Nacht.

In eurer Gesellschaft kö nnte man sterben, sagte ich, man kö nnte sterben, ohne daß ihr es merkt, von Freundschaft keine Spur, sterben kö nnte man in eurer Gesellschaft! schrie ich, und wozu wir ü berhaupt miteinander reden, schrie ich, wozu denn (ich hö rte mich selber schreien), wozu diese ganze Gesellschaft, wenn einer sterben kö nnte, ohne daß ihr es merkt —

Ich war betrunken.

So ging's bis zum Morgen — ich weiß nicht, wann sie die Wohnung verlassen hatten und wie; nur Dick lag noch da.

9.30 Uhr muß te ich an Bord sein.

Ich hatte Kopfschmerzen, ich packte und war froh, daß Ivy mir half, ich war spä t, ich bat sie, noch einmal ihren guten Kaffee zu machen, sie war rü hrend und begleitete mich sogar aufs Schiff. Natü rlich weinte sie. Wen Ivy auß er mir hatte, abgesehen von ihrem Mann, wuß te ich nicht; Vater und Mutter hatte sie nie erwä hnt, ich erinnerte mich nur an ihren drolligen Ausspruch: I'm just a dead-end kid! Sie stammte aus der Bronx, sonst wuß te ich wirklich nichts von Ivy, anfangs hatte ich sie fü r eine Tä nzerin gehalten, dann fü r eine Kokotte, beides stimmte nicht — ich glaube, Ivy arbeitete wirklich als Mannequin.

Wir standen auf Deck.

Ivy in ihrem Kolibri-Hü tchen —

Ivy versprach, alles zu erledigen, die Sache mit der Wohnung und mit dem Studebaker. Ich gab ihr die Schlü ssel. Ich dankte ihr, als es tutete und der Lautsprecher immer wieder die Begleiter aufforderte, das Schiff zu verlassen; ich kü ß te sie, denn Ivy muß te nun wirklich gehen, unsere Sirenen widerhallten ringsum, so daß man sich die Ohren zuhalten muß te. Ivy war die letzte, die ü ber die Brü cke an Land ging.

Ich winkte —

Ich muß te mich zusammennehmen, obschon ich froh war, als sie die schweren Taue lö sten. Wir hatten einen wolkenlosen Tag. Ich war froh, daß alles noch geklappt hatte.

Ivy winkte auch —

Ein lieber Kerl! dachte ich, obschon ich Ivy nie verstanden habe; ich stand auf dem Sockel eines Krans, als die schwarzen Schlepper uns rü ckwä rts hinauszogen, dazu nochmals Sirenen, ich filmte (mit meinem neuen Tele-Objektiv) die winkende Ivy, bis man von bloß em Auge schon keine Gesichter mehr unterscheiden konnte. Ich filmte die ganze Ausfahrt, solange man Manhattan sah, dann die Mö wen, die uns begleiteten.

 

Wir hä tten Joachim (so denke ich oft) nicht in die Erde begraben, sondern verbrennen sollen. Aber das war nun nicht mehr zu ä ndern. Marcel hatte vollkommen recht: Feuer ist eine saubere Sache, Erde ist Schlamm nach einem einzigen Gewitter (wie wir's auf unsrer Rü ckfahrt erlebt haben), Verwesung voller Keime, glitschig wie Vaseline, Tü mpel im Morgenrot wie Tü mpel von schmutzigem Blut, Monatsblut, Tü mpel voller Molche, nichts als schwarze Kö pfe mit zuckenden Schwä nzchen wie ein Gewimmel von Spermatozoen, genau so — grauenhaft.

(Ich mö chte kremiert werden!)

Auf unsrer Rü ckfahrt damals machten wir ü berhaupt keinen Stop, ausgenommen in der Nacht, weil es zum Fahren einfach zu finster war ohne Mond. Es regnete. Es gurgelte die ganze Nacht, wir ließ en unsere Scheinwerfer an, obschon wir nicht fuhren, und es rauschte wie eine Sintflut, die Erde dampfte vor unseren Scheinwerfern, ein lauer und schwerer Regen. Ohne Wind. Was man im Scheinwerferkegel sah: Gewä chs reglos, Geschlinge von Luftwurzeln, die in unserem Scheinwerferlicht glä nzten wie Eingeweide. Ich war froh, nicht allein zu sein, obschon eigentlich keinerlei Gefahr, sachlich betrachtet; das Wasser lief ab. Wir schliefen nicht eine Minute. Wir hockten wie in der Sauna, nä mlich ohne Kleider; es war unerträ glich, das nasse Zeug auf dem Leib. Dabei war es, wie ich mir immer sagte, nur Wasser, kein Grund zum Ekel. Gegen Morgen hatte der Regen aufgehö rt, plö tzlich, wie wenn man eine Dusche abstellt; aber es tropfte von den Gewä chsen, es hö rte nicht auf zu glucksen, zu tropfen. Dann die Morgenrö te! Von Kü hlung keine Spur; der Morgen war heiß und dampfig, die Sonne schleimig wie je, die Blä tter glä nzten, und wir waren naß von Schweiß und Regen und Ö l, schmierig wie Neugeborene. Ich steuerte; ich weiß nicht, wie wir mit unserem Landrover durch den Fluß kamen; aber wir kamen hindurch und konnten es nicht fassen, daß wir je in diesem lauen Wasser mit fauligen Blä schen geschwommen sind. Es spritzte der Schlamm nach beiden Seiten, wenn wir durch die Tü mpel fuhren, diese Tü mpel im Morgenrot — einmal sagte Marcel: Tu sais que la mort est femme! Ich blickte ihn an, et que la terre est femme! sagte er, und das letztere verstand ich, denn es sah so aus, genau so, ich lachte laut, ohne zu wollen, wie ü ber eine Zote —

 

Es war kurz nach der Ausfahrt, als ich das Mä dchen mit dem blonden Roß schwanz zum ersten Mal erblickte, man muß te sich im Speisesaal versammeln, um anzustehen wegen Tischkarten. Es war mir eigentlich unwichtig, wer an meinem Tisch sitzt, immerhin hoffte ich auf Mä nnertisch, gleichviel welcher Sprache. Aber von Wä hlen keine Spur! Der Steward hatte einen Plan vor sich, ein franzö sischer Bü rokrat, ungnä dig, wenn ein Mensch nicht Franzö sisch versteht, dann wieder geschwä tzig, wenn's ihm so paß te, charmant ohne Ende, wä hrend wir warteten, eine ganze Schlange von Passagieren — vor mir: ein junges Mä dchen in schwarzer Cowboy-Hose, kaum kleiner als ich, Englä nderin oder Skandinavierin, ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, nur ihren blonden oder rö tlichen Roß schwanz, der bei jeder Bewegung ihres Kopfes baumelte. Natü rlich blickte man sich um, ob man jemand kennt; es hä tte ja sein kö nnen. Ich hoffte wirklich auf Mä nnertisch. Das Mä dchen bemerkte ich bloß, weil ihr Roß schwanz vor meinem Gesicht baumelte, mindestens eine halbe Stunde lang. Ihr Gesicht, wie gesagt, sah ich nicht. Ich versuchte, das Gesicht zu erraten. Zum Zeitvertreib; wie man sich zum Zeitvertreib an ein Kreuzworträ tsel macht. Ü brigens gab es fast keine jungen Leute. Sie trug (ich erinnere mich genau) einen schwarzen Pullover mit Rollkragen, existentialistisch, dazu Halskette aus gewö hnlichem Holz, Espadrilles, alles ziemlich billig. Sie rauchte, ein dickes Buch unter dem Arm, und in der hinteren Tasche ihrer Cowboy-Hose steckte ein grü ner Kamm. Ich war einfach durch diese Warterei gezwungen, sie zu betrachten; sie muß te sehr jung sein: ihr Flaum auf dem Hals, ihre Bewegungen, ihre kleinen Ohren, die errö teten, als der Steward einen Spaß machte — sie zuckte nur die Achsel; ob erster oder zweiter Service, war ihr gleichgü ltig.

Sie kam in den ersten; ich in den zweiten.

Unterdessen war die letzte amerikanische Kü ste, Long Island, auch verschwunden, ringsum nichts als Wasser; ich brachte meine Kamera in die Kabine hinunter, wo ich zum ersten Mal meinen Mitschlä fer sah, einen jungen und baumstarken Mann, Lajser Lewin, Landwirt aus Israel. Ich ließ ihm das untere Bett. Er hatte, als ich in die Kabine trat, auf dem oberen gesessen, gemä ß Ticket; aber es war uns beiden wohler, glaube ich, als er auf dem unteren Bett saß, um seine Siebensachen auszupacken. Eine Lawine von Mensch! Ich rasierte mich, da ich in der Morgenhetze nicht dazu gekommen war. Ich steckte meinen Apparat an, denselben wie gestern, und er ging. Herr Lewin hatte die kalifornische Landwirtschaft studiert. Ich rasierte mich, ohne viel zu reden.

Spä ter wieder auf Deck —

Es gab nichts zu sehen. Wasser ringsum, ich stand und genoß es, unerreichbar zu sein — statt daß ich mich um einen Decksessel kü mmerte.

Ich wuß te das alles noch nicht.

Mö wen folgten dem Schiff —

Wie man eine Woche auf einem solchen Schiff verbringt, konnte ich mir nicht vorstellen, ich ging hin und her, Hä nde in den Hosentaschen, einmal geschoben vom Wind, geradezu schwebend, dann wieder gegen den Wind, dann mü hsam, so daß man sich nach vorne lehnen muß te mit flatternden Hosen, ich wunderte mich, woher die andern Passagiere ihre Sessel hatten. Jeder Sessel mit Namen versehen. Als ich den Steward fragte, gab es keine Decksessel mehr. Sabeth spielte Pingpong.

Sie spielte famos, ticktack, ticktack, das ging nur so hin und her, eine Freude zum Zuschauen. Ich selber hatte seit Jahren nicht mehr gespielt.

Sie erkannte mich nicht.

Ich hatte genickt —

Sie spielte mit einem jungen Herrn. Mö glicherweise ihr Freund oder Verlobter. Sie hatte sich umgekleidet und trug jetzt einen olivgrü nen Manchesterrock, glockig, was ihr besser stand als die Bubenhosen, fand ich — vorausgesetzt, daß es wirklich dieselbe Person war!

Jedenfalls war die andere nirgends zu finden.

In der Bar, die ich zufä llig entdeckte, war kein Knochen. In der Bibliothek gab es bloß Romane, anderswo Tische fü r Kartenspiele, was auch nach Langeweile aussah — drauß en war's windig, jedoch weniger langweilig, da man ja fuhr.

Eigentlich bewegte sich nur die Sonne —

Gelegentlich ein Frachter am Horizont.

Um vier Uhr gab's Tee.

Ab und zu blieb ich wieder beim Pingpong stehen, jedesmal ü berrascht, wenn ich sie von vorne sah, gezwungen mich zu fragen, ob es wirklich dieselbe Person war, deren Gesicht ich zu erraten versucht hatte, wä hrend wir auf unsere Tischkarten hatten warten mü ssen. Ich stand bei dem groß en Fenster des Promenadendecks, rauchte und tat, als blickte ich aufs Meer hinaus. Von hinten gesehen, vom rö tlichen Roß schwanz her, war sie's durchaus, aber von vorne blieb sie merkwü rdig. Ihre Augen wassergrau, wie oft bei Rothaarigen. Sie zog ihre Wolljacke aus, weil sie das Spiel verloren hatte, und krempelte ihre Bluse herauf. Einmal ü berrannte sie mich fast, um den Ball zu fangen. Ohne ein Wort der Entschuldigung. Das Mä dchen sah mich gar nicht.

Gelegentlich ging ich weiter —

Auf Deck wurde es kalt, sogar naß, weil Gischt, und der Steward klappte die Sessel zusammen. Man hö rte die Wellen viel lauter als zuvor, dazu Pingpong aus dem unteren Stock, ticktack, ticktack. Dann Sonnenuntergang. Ich schlotterte. Als ich in die Kabine hinunterging, um meinen Mantel zu holen, muß te ich nochmals durch das Promenadendeck — ich hob ihr einen Ball auf, ohne mich aufzudrä ngen, glaube ich, sie dankte kurz und englisch (sonst sprach sie deutsch), und bald darauf gongte es zum Ersten Service.

Der erste Nachmittag war ü berstanden.

Als ich mit Mantel und Kamera zurü ckkehrte, um den Sonnenuntergang zu filmen, lagen die beiden Pingpong-Schlä ger auf dem grü nen Tisch —

 

— — —

 

Was ä ndert es, daß ich meine Ahnungslosigkeit beweise, mein Nichtwissenkö nnen! Ich habe das Leben meines Kindes vernichtet und ich kann es nicht wiedergutmachen. Wozu noch ein Bericht? Ich war nicht verliebt in das Mä dchen mit dem rö tlichen Roß schwanz, sie war mir aufgefallen, nichts weiter, ich konnte nicht ahnen, daß sie meine eigene Tochter ist, ich wuß te ja nicht einmal, daß ich Vater bin. Wieso Fü gung? Ich war nicht verliebt, im Gegenteil, sie war mir fremder als je ein Mä dchen, sobald wir ins Gesprä ch kamen, und es war ein unwahrscheinlicher Zufall, daß wir ü berhaupt ins Gesprä ch kamen, meine Tochter und ich. Es hä tte ebensogut sein kö nnen, daß wir einfach aneinander vorbeigegangen wä ren. Wieso Fü gung! Es hä tte auch ganz anders kommen kö nnen.

 

— — —

 

Schon am Abend jenes ersten Tages, nachdem ich den Sonnenuntergang gefilmt hatte, spielten wir Pingpong, unser erstes und letztes. Ein Gesprä ch war kaum mö glich; ich habe nicht mehr gewuß t, daß ein Mensch so jung sein kann. Ich hatte ihr meine Kamera erlä utert, aber es langweilte sie alles, was ich sagte. Unser Pingpong ging besser, als meinerseits erwartet; ich hatte seit Jahrzehnten nicht mehr gespielt. Nur ihr»service«war gerissener, sie schnitt. Frü her hatte ich auch schneiden kö nnen, aber es fehlte mir die Ü bung; daher war ich zu langsam. Sie schnitt, wo sie nur konnte, aber nicht immer mit Erfolg; ich wehrte mich. Pingpong ist eine Frage des Selbstvertrauens, nichts weiter. Ich war nicht so alt, wie das Mä dchen meinte, und so hopp-hopp, wie sie's offenbar erwartet hatte, ging es dann doch nicht; langsam merkte ich, wie ihre Bä lle zu nehmen sind. Sicher langweilte ich sie. Ihr Partner vom Nachmittag, ein Jü ngling mit Schnä uzchen, spielte natü rlich viel imposanter. Ich hatte bald einen roten Kopf, da ich mich ö fter bü cken muß te, aber auch das Mä dchen muß te noch die Wolljacke ausziehen, sogar ihre Bluse krempeln, um mich zu schlagen, sie warf ihren Roß schwanz in den Nacken zurü ck, ungeduldig. Sobald ihr Schnä uzchen-Freund auftauchte, um zu lä cheln als Zuschauer mit beiden Hä nden in den Hosentaschen, gab ich meinen Schlä ger ab — sie bedankte sich, ohne mich aufzufordern, die Partie zu Ende zu spielen; ich bedankte mich gleichfalls, nahm meine Jacke.

Ich stellte ihr nicht nach.

Ich machte Konversation mit allerlei Leuten, meistens mit Mister Lewin, keinesfalls bloß mit Sabeth, sogar mit den alten Jungfern an meinem Tisch, Stenotypistinnen aus Cleveland, die sich verpflichtet fü hlten, Europa gesehen zu haben, oder mit dem amerikanischen Geistlichen, Baptist aus Chicago, aber ein fideler Kerl —

Ich bin nicht gewohnt, untä tig zu sein.

Vor dem Schlafengehen machte ich jedesmal, um Luft zu schnappen, eine Runde um sä mtliche Decks. Allein. Traf ich sie im Dunkeln — zufä llig — Arm in Arm mit ihrem Pingpong-Freund, so tat sie, als hä tte sie mich nicht gesehen; als dü rfte ich unter keinen Umstä nden wissen, daß sie verliebt ist.

Was ging's mich an!

Ich ging, wie gesagt, um Luft zu schnappen.

Sie meinte, ich sei eifersü chtig —

Am andern Morgen, als ich allein an der Reling stand, trat sie zu mir und fragte, wo denn mein Freund sei. Es interessierte mich nicht, wen sie fü r meinen Freund hielt, Israel-Landwirt oder Chicago-Baptist, sie meinte, ich fü hle mich einsam, und wollte nett sein, gab's nicht auf, bis sie mich zum Plaudern brachte — ü ber Navigation, Radar, Erdkrü mmung, Elektrizitä t, Entropie, wovon sie noch nie gehö rt hat. Sie war alles andere als dumm. Nicht viele Leute, denen ich den sogenannten Maxwell’schen Dä mon erlä uterte, begreifen so flink wie dieses junge Mä dchen, das ich Sabeth nannte, weil Elisabeth, fand ich, ein unmö glicher Name ist. Sie gefiel mir, aber ich flirtete in keiner Weise. Ich redete wie ein Lehrer, fü rchtete ich, wä hrend sie lä chelte. Sabeth wuß te nichts von Kybernetik, und wie immer, wenn man mit Laien darü ber redet, galt es, allerlei kindische Vorstellungen vom Roboter zu widerlegen, das menschliche Ressentiment gegen die Maschine, das mich ä rgert, weil es borniert ist, ihr abgedroschenes Argument: der Mensch sei keine Maschine. Ich erklä rte, was die heutige Kybernetik als Information bezeichnet: unsere Handlungen als Antworten auf sogenannte Informationen, beziehungsweise Impulse, und zwar sind es automatische Antworten, grö ß tenteils unserem Willen entzogen, Reflexe, die eine Maschine ebensogut erledigen kann wie ein Mensch, wenn nicht sogar besser. Sabeth rü mpfte ihre Brauen (wie stets bei Spaß en, die ihr eigentlich miß fallen) und lachte. Ich verwies sie auf Norbert Wiener: Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine, M.I.T. 1948. Natü rlich meinte ich nicht die Roboter, wie sie die Illustrierten sich ausmalen, sondern die Hö chstgeschwindigkeitsrechenmaschine, auch Elektronen-Hirn genannt, weil Steuerung durch Vakuum-Elektronenrö hren, eine Maschine, die heute schon jedes Menschenhirn ü bertrifft. In einer Minute 2 000 000 Additionen oder Subtraktionen! In ebensolchem Tempo erledigt sie eine Infinitesimal-Rechnung, Logarithmen ermittelt sie schneller, als wir das Ergebnis ablesen kö nnen, und eine Aufgabe, die bisher das ganze Leben eines Mathematikers erfordert hä tte, wird in Stunden gelö st und zuverlä ssiger gelö st, weil sie, die Maschine, nichts vergessen kann, weil sie alle eintreffenden Informationen, mehr als ein menschliches Hirn erfassen kann, in ihre Wahrscheinlichkeitsansä tze einbezieht. Vor allem aber: die Maschine erlebt nichts, sie hat keine Angst und keine Hoffnung, die nur stö ren, keine Wü nsche in bezug auf das Ergebnis, sie arbeitet nach der reinen Logik der Wahrscheinlichkeit, darum behaupte ich: Der Roboter erkennt genauer als der Mensch, er weiß mehr von der Zukunft als wir, denn er errechnet sie, er spekuliert nicht und trä umt nicht, sondern wird von seinen eigenen Ergebnissen gesteuert (feed back) und kann sich nicht irren; der Roboter braucht keine Ahnungen —

Sabeth fand mich komisch.

Ein wenig, glaubte ich, mochte sie mich doch; jedenfalls nickte sie, wenn sie mich auf Deck sah, sie lag in ihrem Decksessel und nahm sofort ihr Buch, aber winkte —

»Hello, Mister Faber! «

Sie nannte mich Mister Faber, weil ich mich, gewohnt an die englische Aussprache meines Namens, so vorgestellt hatte; im ü brigen sprachen wir deutsch.

Ich ließ sie oft in Ruhe.

Eigentlich hä tte ich arbeiten sollen —

So eine Schiffreise ist ein komischer Zustand. Fü nf Tage ohne Wagen! Ich bin gewohnt zu arbeiten oder meinen Wagen zu steuern, es ist keine Erholung fü r mich, wenn nichts lä uft, und alles Ungewohnte macht mich sowieso nervö s. Ich konnte nicht arbeiten. Man fä hrt und fä hrt, die Motoren laufen Tag und Nacht, man hö rt sie, man spü rt sie, man fä hrt pausenlos, aber nur die Sonne bewegt sich, beziehungsweise der Mond, es kö nnte auch eine Illusion sein, daß man fä hrt, unser Kahn kann noch so stampfen und Wellen werfen, Horizont bleibt Horizont, und man bleibt in der Mitte einer Kreisscheibe, wie fixiert, nur die Wellen gleiten davon, ich weiß nicht mit wieviel Knoten in der Stunde, jedenfalls ziemlich schnell, aber es ä ndert sich ü berhaupt nichts — nur daß man ä lter wird!

Sabeth spielte Pingpong oder las.

Ich wanderte halbe Tage lang, obschon es unmö glich ist, jemand zu treffen, der nicht an Bord ist; ich bin in zehn Jahren nicht so viel gegangen, wie auf diesem Schiff, manchmal ließ der Baptist sich herbei, dieses Kinderspiel zu machen, Schieberei mit Stecken und Holzscheiben, Zeitvertreib, ich hatte Zeit wie noch nie und kam nicht einmal dazu, die tä gliche Bordzeitung zu lesen.

News of Today

Nur die Sonne bewegt sich.

President Eisenhower says

Meinetwegen!

Wichtig ist, daß man seine Holzscheibe in das richtige Feld schiebt, und sicher ist, daß anderseits auch niemand kommen kann, der nicht schon an Bord ist, Ivy zum Beispiel, man ist einfach unerreichbar.

Das Wetter war gut.

Eines Morgens, als ich mit dem Baptist frü hstü cke, setzt Sabeth sich an unsern Tisch, was mich aufrichtig freut, Sabeth in ihren schwarzen Cowboy-Hosen. Ringsum gibt es leere Tische genug, ich meine, falls das Mä dchen mich nicht leiden kö nnte. Es freut mich aufrichtig. Sie reden vom Louvre in Paris, den ich nicht kenne, und ich schä le unterdessen meinen Apfel. Ihr Englisch lä uft ganz famos. Wieder die Verblü ffung, wie jung sie ist! Man fragt sich dann, ob man selber je so jung gewesen ist. Ihre Ansichten! Ein Mensch, der den Louvre nicht kennt, weil er sich nichts draus macht, das gibt es einfach nicht; Sabeth meint, ich mache mich bloß lustig ü ber sie. Dabei ist es der Baptist, der sich lustig macht ü ber mich.

»Mister Faber is an engineer«— sagt er —

Was mich aufregt, sind keineswegs seine blö den Witze ü ber die Ingenieure, sondern seine Flirterei mit dem jungen Mä dchen, das nicht seinetwegen an unseren Tisch gekommen ist, seine Hand, die er auf ihren Arm legt, dann auf ihre Schulter, dann wieder auf ihren Arm, seine fleischige Hand. Wozu faß t er das Mä dchen immer an! Bloß weil er ein Kenner des Louvre ist.

»Listen«, sagt er immer,»listen! «

Sabeth:

»Yes, I'm listening —«

Dabei hat er gar nichts zu sagen, der Baptist, es geht ihm mit seinem ganzen Louvre bloß darum, das Mä dchen anfassen zu kö nnen, so eine Altherren-Manier, dazu sein Lä cheln ü ber mich.

»Go on«, sagt er zu mir,»go on! «

Ich stehe auf dem Standpunkt, daß der Beruf des Technikers, der mit den Tatsachen fertig wird, immerhin ein mä nnlicher Beruf ist, wenn nicht der einzigmä nnliche ü berhaupt; ich stelle fest, daß wir uns auf einem Schiff befinden, somit auf einem Werk der Technik —

»True«, sagt er,»very true! «

Dabei hä lt er ihren Arm die ganze Zeit, tut gespannt und aufmerksam, bloß um den Arm des Mä dchens nicht loslassen zu mü ssen.

»Go on«, sagt er,»go on! «

Das Mä dchen will mich unterstü tzen und bringt das Gesprä ch, da ich die Skulpturen im Louvre nicht kenne, auf meinen Roboter; ich habe aber keine Lust, davon zu sprechen, und sagte lediglich, daß Skulpturen und Derartiges nichts anderes sind (fü r mich) als Vorfahren des Roboters. Die primitiven versuchten den Tod zu annullieren, indem sie den Menschenleib abbilden — wir, indem wir den Menschenleib ersetzen. Technik statt Mystik!

Zum Glü ck kam Mister Lewin.

Als sich herausstellt, daß auch Mister Lewin noch nie im Louvre gewesen ist, wechselt das Tischgesprä ch, Gottseidank, Mister Lewin hat gestern den Maschinenraum unsres Schiffes besichtigt — das fü hrt zu einem Doppelgesprä ch: Baptist und Sabeth reden weiterhin ü ber van Gogh, Lewin und ich reden ü ber Dieselmotoren, wobei ich, obschon in Dieselmotoren interessiert, das Mä dchen nicht aus den Augen lasse; sie hö rt dem Baptisten ganz aufmerksam zu, wä hrend sie seine Hand nimmt, um sie neben sich auf den Tisch zu legen, wie eine Serviette.

»Why do you laugh? «fragt er mich.

Ich lache einfach.

»Van Gogh is the most intelligent fellow of his time«, sagt er mir,»have you ever read his letters? «

Dazu Sabeth:

»Er weiß wirklich sehr viel.«

Sobald wir, Mister Lewin und ich, von Elektrizitä t sprechen, weiß er aber auch nichts, unser Baptist und Hahn im Korb, sondern schä lt auch seinen Apfel und schweigt vor sich hin. Schließ lich redet man ü ber Israel.

Spä ter auf Deck ä uß erte Sabeth (ohne Drä ngen meinerseits) den Wunsch, einmal den Maschinenraum zu besichtigen, und zwar mit mir; ich hatte lediglich gesagt, einmal werde ich auch den Maschinenraum besichtigen. Ich wollte sie keinesfalls belä stigen. Sie wunderte sich, wieso ich keinen Decksessel habe, und bot mir sofort ihren Decksessel an, weil ihrerseits sowieso zu einem Pingpong verabredet.

Ich dankte, und weg war sie —

Seither saß ich ö fter in ihrem Sessel; der Steward holte ihren Sessel hervor, sowie er mich erblickte, und klappte ihn auf, begrü ß te mich als Mister Piper, weil auf ihrem Sessel stand: Miss E. Piper.

Ich sagte mir, daß mich wahrscheinlich jedes junge Mä dchen irgendwie an Hanna erinnern wü rde. Ich dachte in diesen Tagen wieder ö fter an Hanna. Was heiß t schon Ä hnlichkeit? Hanna war schwarz, Sabeth blond beziehungsweise rö tlich, und ich fand es an den Haaren herbeigezogen, die beiden zu vergleichen. Ich tat es aus lauter Mü ß iggang. Sabeth ist jung, wie Hanna damals jung gewesen ist, und zudem redete sie das gleiche Hochdeutsch, aber schließ lich (so sagte ich mir) gibt es ganze Vö lkerstä mme, die hochdeutsch reden. Stundenlang lag ich in ihrem Sessel, meine Beine auf das weiß e Gelä nder gestemmt, das zitterte, Blick aufs Meer hinaus. Leider hatte ich keine Fachzeitschriften bei mir, Romane kann ich nicht lesen, dann ü berlege ich mir lieber, woher diese Vibration, wieso sie nicht zu vermeiden ist, die Vibration, oder ich rechnete mir aus, wie alt jetzt Hanna wä re, ob sie schon weiß e Haare hä tte. Ich schloß die Augen, um zu schlafen. Wä re Hanna auf Deck gewesen, kein Zweifel, ich hä tte sie sofort erkannt. Ich dachte: vielleicht ist sie auf Deck! und erhob mich, schlenderte zwischen den Decksesseln hin und her, ohne im Ernst zu glauben, daß Hanna wirklich auf Deck ist. Zeitvertreib! Immerhin (ich gebe es zu) hatte ich Angst, es kö nnte sein, und ich musterte sä mtliche Damen, die keine jungen Mä dchen mehr sind, in aller Ruhe. Man kann das ja, wenn man eine dunkle Sonnenbrille trä gt; man steht und raucht und mustert, ohne daß die Gemusterten es merken kö nnen, in aller Ruhe, ganz sachlich. Ich schä tzte ihr Alter, was keine leichte Sache war; ich achtete weniger auf die Haarfarbe, sondern auf die Beine, die Fü ß e, sofern sie entblö ß t waren, vor allem auf die Hä nde und die Lippen. Da und dort, fand ich, gab es sehr blü hende Lippen, wä hrend der Hals an die gefä ltelte Haut von Eidechsen erinnert, und ich konnte mir denken, daß Hanna noch immer sehr schö n ist, ich meine liebenswert. Leider waren ihre Augen nicht zu sehen, weil lauter Sonnenbrillen. Allerlei Verbrauchtes, allerlei, was vermutlich nie geblü ht hat, lag auch da, Amerikanerinnen, die Geschö pfe der Kosmetik. Ich wuß te bloß: So wird Hanna nie aussehen.


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