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London, 14. Mai 1602 9 ñòðàíèöà






Ich schü ttelte den Kopf. So schnell wollte ich nicht aufgeben.»Wer oder was ist der grü ne Reiter? Und warum wollen Lucy und Paul nicht, dass der Kreis sich schließ t? Oder wollen sie es am Ende doch, aber nur, weil sie das Geheimnis fü r sich nutzen wollen? «

Mum rieb sich ü ber ihre Schlä fen.»Von einem grü nen Reiter hö re ich heute zum ersten Mal. Und was Lucy und Paul angeht: Ich bin sicher, dass ihre Motive nicht egoistischer Natur waren. Du hast den Grafen von Saint Germain kennengelernt. Er verfugt ü ber Mittel...«Sie verstummte wieder.»Ach Liebling, nichts von dem, was ich dir sagen kö nnte, wü rde dir helfen, glaub mir.«

»Bitte, Mum! Es ist schlimm genug, dass diese Mä nner so geheimnisvoll tun und mir nicht vertrauen, aber du bist meine Mutter! «

»Ja«, sagte sie und wieder schö ssen ihr Trä nen in die Augen.»Das bin ich.«Aber offensichtlich zog das Argument trotzdem nicht.»Komm, das Taxi wartet schon seit einer halben Stunde. Es wird mich vermutlich ein halbes Monatsgehalt kosten.«

Ich folgte ihr mit einem Seufzer die Straß e hinunter.»Wir kö nnen mit der U-Bahn fahren.«

»Nein, du brauchst schleunigst was Warmes zu essen. Auß erdem vermissen deine Geschwister dich fü rchterlich. Noch ein Abendessen ohne dich wü rden sie nicht aushalten.«

 

Ü berraschenderweise wurde es ein friedlicher und gemü tlicher Abend, denn meine Groß mutter war mit Tante Glenda und Charlotte in die Oper gegangen.

»Tosca«, sagte Groß tante Maddy vergnü gt und schü ttelte ihre blonden Lö ckchen.»Sie werden hoffentlich ein wenig gelä utert zurü ckkommen.«Sie zwinkerte mir verschmitzt zu.»Gut, dass Violet die Karten ü brig hatte.«

Ich schaute fragend in die Runde. Es stellte sich heraus, dass Groß tante Maddys Freundin (eine nette alte Dame mit dem wunderbaren Namen Mrs Violet Purpleplum, die uns immer Schals und Socken zu Weihnachten strickte) eigentlich mit ihrem Sohn und ihrer kü nftigen Schwiegertochter in die Oper hatte gehen wollen, aber wie es aussah, wü rde die zukü nftige Schwiegertochter nun die zukü nftige Schwiegertochter einer anderen Frau werden.

Wie immer, wenn Lady Arista und Tante Glenda auß er Haus waren, machte sich bei uns sofort ausgelassene Stimmung breit. Es war ein bisschen wie in der Grundschule, wenn der Lehrer den Klassenraum verließ. Noch wä hrend des Essens musste ich aufspringen und meinen Geschwistern, Tante Maddy, Mum und Mr Bernhard zeigen, wie Plusterlippe und Charlotte mir beigebracht hatten, Menuett zu tanzen und einen Fä cher zu benutzen, und Xemerius soufflierte mir, wenn ich etwas vergaß. So im Nachhinein fand ich es selber eher komisch als tragisch und ich konnte verstehen, dass die anderen sich amü sierten. Nach einer Weile tanzten alle (auß er Mr Bernhard, der aber immerhin mit der Fuß spitze im Takt wippte) durch den Raum und sprachen nä selnd wie Giordano. Dabei riefen wir stä ndig durcheinander.

»Dummes Ding! Schau doch, wie Charlotte es macht! «

»Rechts! Nein, rechts ist, wo der Daumen links ist.«

Und:»Ich kann deine Zä hne sehen! Das ist unpatriotisch! «

Nick stellte dreiundzwanzig verschiedene Arten und Weisen vor, sich mit einer Serviette Luft zuzufä cheln und dabei dem Gegenü ber ohne Worte eine Mitteilung zu machen.»Das hier bedeutet: Ups, Sie haben den Hosenstall offen, mein Herr, und wenn man den Fä cher ein wenig senkt und dabei so hinü berschaut, heiß t das: Hach, ich mö chte Sie heiraten.

Aber wenn man es andersherum macht, heiß t es: Ä tsch, ab heute befinden wir uns im Krieg mit Spanien...«

Ich musste zugeben, Nick verfü gte wirklich ü ber groß artiges schauspielerisches Talent. Caroline warf schließ lich beim Tanzen (eher Cancan als Menuett) ihre Beine so hoch, dass einer ihrer Schuhe in der Schü ssel mit der Bayerischen Creme landete, die es zum Nachtisch gab.

Dieses Ereignis dä mpfte unseren Ü bermut ein wenig, bis Mr Bernhard den Schuh herausfischte, auf Carolines Teller legte und todernst sagte:»Ich freue mich, dass so viel von der Creme ü brig geblieben ist. Miss Charlotte und die beiden Damen werden sicher eine Kleinigkeit essen wollen, wenn sie aus der Oper heimkehren.«

Meine Groß tante strahlte ihn an.»Sie sind immer so fü rsorglich, mein Lieber.«

»Es ist meine Aufgabe, dafü r zu sorgen, dass es Ihnen allen gut geht«, sagte Mr Bernhard.»Das habe ich Ihrem Bruder vor seinem Tod versprochen.«

Ich schaute die beiden nachdenklich an.»Ich frage mich gerade, ob Grandpa Ihnen etwas von einem grü nen Reiter erzä hlt hat, Mr Bernhard. Oder dir, Tante Maddy.«

Tante Maddy schü ttelte den Kopf.»Ein grü ner Reiter? Was soll das sein? «

»Ich habe keine Ahnung«, sagte ich.»Ich weiß nur, dass ich ihn finden muss.«

»Wenn ich etwas suche, dann gehe ich meistens in die Bibliothek Ihres Groß vaters«, sagte Mr Bernhard und seine braunen Eulenaugen funkelten hinter der Brille.»Dort bin ich noch jedes Mal fü ndig geworden. Wenn Sie Hilfe benö tigen:

Ich kenne mich gut aus, denn ich bin derjenige, der die Bü cher abstaubt.«

»Das ist eine gute Idee, mein Lieber«, sagte Groß tante Maddy.

»Immer zu Ihren Diensten, Madam.«Mr Bernhard legte noch Holz im Kamin nach, bevor er uns eine gute Nacht wü nschte.

Xemerius folgte ihm.»Ich will doch unbedingt mal sehen, ob er seine Brille ablegt, wenn er schlafen geht«, sagte er.»Und ich werde dir berichten, falls er sich aus dem Haus schleicht, um heimlich in einer Heavy-Metal-Band den Bassisten zu mimen.«

Eigentlich mussten meine Geschwister unter der Woche immer zeitig ins Bett, aber heute machte meine Mutter eine Ausnahme. Wir machten es uns satt und mü de gelacht vor dem Kamin gemü tlich, Caroline kuschelte sich in Mums Arme, Nick kuschelte sich an mich und Groß tante Maddy setzte sich in Lady Aristas Ohrensessel, pustete sich eine blonde Locke aus dem Gesicht und betrachtete uns zufrieden.

»Kannst du was von frü her erzä hlen, Tante Maddy? «, bat Caroline.»Als du ein kleines Mä dchen warst und deine schreckliche Cousine Hazel auf dem Land besuchen musstest? «

»Ach, das habt ihr doch schon so oft gehö rt«, sagte Tante Maddy und legte ihre rosa Filzpantoffeln auf das Fuß bä nkchen. Aber sie ließ sich nicht lange bitten. Alle ihre Geschichten ü ber ihre schreckliche Cousine begannen mit den Worten:»Hazel war so ungefä hr das eingebildetste Mä dchen, das man sich vorstellen kann«, dann sagten wir im Chor:»Genau wie Charlotte! «, und Groß tante Maddy schü ttelte den Kopf und sagte:»Nein, Hazel war noch viel, viel schlimmer. Sie hob Katzen an ihren Schwä nzen in die Hö he und schleuderte sie ü ber ihrem Kopf im Kreis herum.«

Wä hrend ich, das Kinn auf Nicks Haar gelegt, der Geschichte lauschte, in deren Verlauf Tante Maddy als Zehnjä hrige alle gequä lten Katzen Gloucestershires rä chte und dafü r sorgte, dass Cousine Hazel ein Bad in der Jauchegrube nahm, wanderten meine Gedanken zu Gideon. Wo mochte er gerade sein? Was tat er? Wer war bei ihm? Und dachte er vielleicht auch gerade an mich - mit diesem seltsamen, warmen Gefü hl in der Magengegend? Vermutlich nicht.

Ich unterdrü ckte nur mit Mü he einen tiefen Seufzer, als ich an unseren Abschied vor Madame Rossinis Atelier dachte. Gideon hatte mich nicht mal mehr angesehen, obwohl wir uns ein paar Minuten vorher noch gekü sst hatten.

Schon wieder. Dabei hatte ich Leslie gestern Abend am Telefon noch geschworen, dass das niemals wieder vorkommen wü rde.»Nicht, solange wir nicht eindeutig geklä rt haben, was zwischen uns lä uft! «

Leslie allerdings hatte nur gelacht.»Komm schon, wem willst du hier was vormachen? Es ist ganz klar, was da zwischen euch lä uft: Du bist wahnsinnig in den Kerl verliebt! «

Aber wie konnte ich in einen Jungen verliebt sein, den ich erst ein paar Tage kannte? Einen Jungen, der sich die meiste Zeit mir gegenü ber unmö glich verhielt? Allerdings, in den Augenblicken, wo er das nicht tat, war er einfach... er war so... so unglaublich...

»Hier bin ich wieder! «, krä hte Xemerius und landete mit Schwung auf dem Esstisch neben der Kerze. Caroline in Mums Schoß zuckte zusammen und starrte in seine Richtung.

»Was ist, Caroline? «, fragte ich leise.

»Ach nichts«, sagte sie.»Ich dachte, ich hä tte einen Schatten gesehen.«

»Tatsä chlich? «Ich sah Xemerius verblü fft an.

Der hob nur eine Schulter und grinste.»Es ist bald Vollmond. Sensible Menschen kö nnen uns da manchmal sehen, meistens nur aus den Augenwinkeln. Wenn sie dann genauer hinschauen, sind wir gar nicht da...«Er hä ngte sich wieder an den Kronleuchter.»Die alte Dame mit den Lö ckchen sieht und spü rt auch mehr, als sie zugibt. Als ich ihr probeweise eine Klaue auf die Schulter gelegt habe, hat sie dorthin gefasst... In deiner Familie wundert mich das nicht.«

Ich betrachtete Caroline liebevoll. Das sensible Kind - nicht dass sie am Ende noch Groß tante Maddys Gabe der Visionen geerbt hatte.

»Jetzt kommt meine Lieblingsstelle«, sagte Caroline mit leuchtenden Augen und Groß tante Maddy erzä hlte genü sslich, wie die sadistisch veranlagte Hazel mit ihrem feinen Sonntagskleid bis zum Hals in der Jauche gestanden und laut gekreischt hatte:»Das zahle ich dir heim, Madeleine, das zahle ich dir heim! «

»Und das tat sie dann ja auch«, sagte Groß tante Maddy.»Mehr als einmal.«

»Aber die Geschichte hö ren wir ein anderes Mal«, sagte meine Mum energisch.»Die Kinder mü ssen ins Bett. Morgen ist Schule.«

Da seufzten wir alle und Groß tante Maddy seufzte am lautesten.

Freitag war Pfannkuchentag, da ließ sich niemand das Essen in der Schulmensa entgehen, denn es war so ziemlich das einzige Gericht, das dort genieß bar war. Da ich wusste, dass Leslie fü r diese Pfannkuchen sterben wü rde, erlaubte ich nicht, dass sie bei mir im Klassenraum blieb, wo ich mit James verabredet war.

»Geh essen«, sagte ich.»Ich wä re stinksauer, wenn du meinetwegen auf Pfannkuchen verzichten musst.«

»Aber dann ist niemand hier, der Schmiere stehen kann. Auß erdem mö chte ich noch genauer hö ren, wie das gestern mit dir, Gideon und dem grü nen Sofa war...«

»Noch genauer kann ich es beim besten Willen nicht erzä hlen«, sagte ich.

»Dann erzä hl's einfach noch mal, es ist so romantisch! «

»Geh Pfannkuchen essen! «

»Du musst ihn heute unbedingt nach seiner Handynummer fragen«, sagte Leslie.»Ich meine, das ist eine goldene Regel: Man kü sst keinen Jungen, von dem man nicht mal die Telefonnummer hat.«

»Leckere, knusprige Pfannkuchen mit Ä pfeln...«, sagte ich.

»Aber...«

»Xemerius ist bei mir.«Ich zeigte auf die Fensterbank, wo Xemerius saß und gelangweilt auf dem spitzen Ende seines Schwanzes herumkaute.

Leslie kapitulierte.»Also gut. Aber lass dir heute etwas Sinnvolles beibringen! Das Herumgefuchtel mit Mrs Counters Stock bringt keinem was! Und sollte dich dabei jemand beobachten, wirst du in die Klapsmü hle eingeliefert, denk daran.«

»Jetzt geh endlich«, sagte ich und schob sie zur Tü r hinaus, gerade als James eintrat.

James freute sich, dass wir dieses Mal allein waren.»Die Sommersprossige macht mich immer nervö s mit ihrem unhö flichen Dazwischengequatsche. Sie behandelt mich wie Luft.«

»Das liegt daran, dass... ach, vergiss es.«»Also - wie kann ich heute behilflich sein? «»Ich dachte, du kö nntest mir vielleicht beibringen, wie man auf einer Soiree im 18. Jahrhundert Hallo sagt.«»Hallo? «

»Ja. Hallo. Hi. Guten Abend. Du weiß t schon, wie man sich eben begrü ß t hat, wenn man sich gegenü bersteht. Und was man dabei tut. Hä nde schü tteln, Handkuss, Verbeugung, Knicks, Durchlaucht, Erlaucht, Hoheit... das ist alles so kompliziert und man kann so viel falsch machen.«

James setzte eine hochnä sige Miene auf.»Nicht, wenn du tust, was ich dir sage. Als Erstes bringe ich dir bei, wie eine Dame vor einem Herrn knickst, der den gleichen gesellschaftlichen Rang bekleidet wie sie.«

»Super«, sagte Xemerius.»Die Frage ist aber doch, wie Gwendolyn ü berhaupt erkennen soll, was fü r einen gesellschaftlichen Rang ein Herr bekleidet.«

James starrte ihn an.»Was ist das denn? Kusch, kusch, Miezekatze! Verschwinde! «

Xemerius schnaubte unglä ubig.»Wie war das? «

»Ach James! «, sagte ich.»Sieh doch bitte mal genau hin! Das ist Xemerius, mein Freund, ä h, der Wasserspeierdä mon. Xemerius, das ist James, ebenfalls ein Freund.«

James schü ttelte ein Taschentuch aus dem Ä rmel und mir stieg der Geruch von Maiglö ckchen in die Nase.»Was immer es ist... es soll weggehen. Es erinnert mich daran, dass ich mich gerade in einem schrecklichen Fiebertraum befinde, ein Fiebertraum, in dem ich einem ungezogenen Mä dchen Anstandsunterricht geben muss.«

Ich seufzte.»James. Das hier ist kein Traum, wann verstehst du das denn endlich? Vor ü ber zweihundert Jahren magst du vielleicht mal einen Fiebertraum gehabt haben, aber danach bist du... - also, du und Xemerius, ihr seid beide... ihr seid...«

»... tot«, sagte Xemerius.»Wenn man es genau nimmt.«Er legte den Kopf auf die Seite.»Ist doch wahr. Was redest du denn so um den heiß en Brei herum? «

James wedelte mit seinem Taschentuch.»Ich will das nicht hö ren. Katzen kö nnen nicht sprechen.«

»Sehe ich vielleicht aus wie eine Katze, du dummer Geist? «, rief Xemerius.

»Irgendwie schon«, sagte James, ohne hinzuschauen.»Bis auf die Ohren vielleicht. Und die Hö rner. Und die Flü gel. Und den komischen Schwanz. Ah, wie ich diese Fieberfantasien verabscheue! «

Xemerius pflanzte sich breitbeinig vor James auf. Sein Schwanz peitschte wü tend um ihn herum.»Ich bin keine Fantasie. Ich bin ein Dä mon«, sagte er und spuckte vor Aufregung einen groß en Schwall Wasser auf den Boden.»Ein mä chtiger Dä mon. Beschworen von Magiern und Baumeistern im elften Jahrhundert eurer Zeitrechnung, um in der Gestalt eines steinernen Wasserspeiers den Turm einer Kirche zu bewachen, die es heute lä ngst nicht mehr gibt. Als mein Sandsteinkö rper vor vielen Hundert Jahren zerstö rt wurde, blieb nur noch das hier von mir ü brig - sozusagen der Schatten meines alten Ichs, fü r immer dazu verflucht, auf dieser Erde zu wandeln, bis sie auseinanderfä llt. Was vermutlich noch ein paar Millionen Jahre dauern kann.«

»Lalala, ich hö re nichts«, sagte James.

»Du bist armselig«, sagte Xemerius.»Im Gegensatz zu dir habe ich keine andere Mö glichkeit - durch den Bannspruch des Magiers bin ich an dieses Dasein gebunden. Du aber kö nntest jederzeit dein jä mmerliches Geisterleben aufgeben und dorthin gehen, wohin Menschen kommen, wenn sie gestorben sind.«

»Ich bin aber nicht gestorben, du dumme Miezekatze! «, rief James.»Ich bin lediglich krank und liege mit schrecklichen Fieberfantasien im Bett. Und wenn wir jetzt nicht auf der Stelle ein anderes Thema anschneiden, gehe ich wieder! «

»Schon gut«, sagte ich, wä hrend ich die Pfü tze, die Xemerius hinterlassen hatte, mit dem Tafelschwamm aufzuwischen versuchte.»Machen wir also weiter. Der Knicks vor dem gleichgestellten Herrn...«

Xemerius schü ttelte den Kopf und flatterte ü ber unsere Kö pfe hinweg zur Tü r.»Also, ich steh dann mal Schmiere. Zu peinlich, wenn dich jemand hier beim Knicksen erwischen wü rde.«

Die Mittagspause war nicht lang genug, um alle Kniffe zu lernen, die James mir beibringen wollte, aber am Ende konnte ich auf drei verschiedene Arten und Weisen knicksen und mir die Hand kü ssen lassen. (Eine Sitte, von der ich sehr froh war, dass sie heute in Vergessenheit geraten ist.) Als meine Mitschü ler zurü ckkamen, verabschiedete sich James mit einer Verbeugung und ich flü sterte ihm noch schnell ein Dankeschö n zu.»Und? «, fragte Leslie.

»James hä lt Xemerius fü r eine komische Katze aus seiner Fieberfantasie«, informierte ich sie.»Ich kann daher nur hoffen, dass das, was er mir beigebracht hat, nicht auch von Fieberfantasien verzerrt ist. Ansonsten wü sste ich jetzt, was ich mache, wenn ich dem Herzog von Devonshire vorgestellt werde.«

»Oh, gut«, sagte Leslie.»Und was machst du? «

»Tief und ausdauernd knicksen«, sagte ich.»Fast so ausdauernd wie vor dem Kö nig, aber ausdauernder als vor einem Marquess oder einem Grafen. Es ist eigentlich ganz einfach. Ansonsten immer brav die Hand abknutschen lassen und dabei lä cheln.«

»Sieh einer an - dass James doch noch mal fü r was gut sein kann, hä tte ich nicht gedacht.«Leslie blickte sich anerkennend um.»Du wirst sie alle verblü ffen im 18. Jahrhundert.«

»Hoffen wir das mal«, sagte ich. Aber den Rest des Unterrichts konnte nichts meine gute Laune trü ben. Charlotte und die blö de Plusterlippe wü rden staunen, dass ich nun sogar den Unterschied zwischen Durchlaucht und Erlaucht kannte, obwohl sie alles versucht hatten, mir das so kompliziert wie nur irgend mö glich zu erklä ren.

»Ich habe da ü brigens eine Theorie zur Magie des Raben entwickelt«, sagte Leslie nach Schulschluss, auf dem Weg vom Klassenraum zu unseren Spinden.»Die ist so einfach, dass noch keiner darauf gekommen ist. Wir treffen uns morgen Vormittag bei euch und ich bringe alles mit, was ich zusammengetragen habe. Wenn meine Mum nicht wieder einen Familienputztag geplant hat und Gummihandschuhe an alle verteilt...«

»Gwenny? «Cynthia Dale schlug mir von hinten auf den Rü cken.»Kannst du dich noch an Regina Curtiz erinnern, die bis letztes Jahr mit meiner Schwester in eine Klasse ging? Die ist jetzt in einer Klinik fü r Magersü chtige. Willst du da auch landen? «

»Nein«, sagte ich verdutzt.

»Okay, dann iss das! Sofort! « Cynthia warf mir ein Karamellbonbon zu. Ich fing es auf und wickelte gehorsam das Papier ab. Aber als ich mir das Bonbon in den Mund schieben wollte, fiel Cynthia mir in den Arm.»Halt! Du willst das also wirklich essen? Dann machst du ü berhaupt gar keine Diä t? «

»Nein«, sagte ich wieder.

»Dann hat Charlotte gelogen. Sie hat behauptet, du kommst nicht zum Mittagessen, weil du so dü rr werden willst wie sie... Her mit dem Bonbon. Du bist ja gar nicht magersuchtgefä hrdet.«Cynthia warf sich das Bonbon selber in den Mund.»Hier, die Einladung zu meinem Geburtstag. Es ist wieder eine Kostü mparty. Und dieses Jahr ist das Motto Es grü nt so grü n. Du darfst auch deinen Freund mitbringen.«

»Ä h...«

»Weiß t du, ich hab Charlotte das Gleiche gesagt, mir ist egal, wer von euch beiden diesen Typen mitbringt. Hauptsache, er kommt ü berhaupt auf meine Party.«

»Sie spinnt«, flü sterte Leslie mir zu.

»Das habe ich gehö rt«, sagte Cynthia.»Du darfst Max auch mitbringen, Leslie.«

»Cyn, wir sind schon seit einem halben Jahr nicht mehr zusammen.«

»Oh, das ist jetzt blö d«, sagte Cynthia.»Es sind irgendwie dieses Mal zu wenig Jungs da. Entweder ihr bringt welche mit oder ich muss ein paar Mä dchen wieder ausladen. Aishani zum Beispiel, aber die wird wahrscheinlich eh absagen, weil ihre Eltern keine gemischten Partys erlauben... Oh mein Gott, was ist denn das da? Kann mich mal einer kneifen? «

»Das da«war ein hochgewachsener Junge mit blonden kurz geschnittenen Haaren. Er stand vor dem Bü ro unseres Direktors, zusammen mit Mr Whitman. Und er kam mir seltsam bekannt vor.

»Autsch«, kreischte Cynthia auf, denn Leslie hatte sie wunschgemä ß gekniffen.

Mr Whitman und der Junge drehten sich zu uns um. Als mich der Blick aus grü nen Augen unter dichten dunklen Wimpern streifte, wusste ich sofort, wer der Fremde war. Himmel! Jetzt sollte Leslie vielleicht auch mich kneifen.

»Das passt ja gut«, sagte Mr Whitman.»Raphael, das sind drei Schü lerinnen aus deiner Klasse. Cynthia Dale, Leslie Hay und Gwendolyn Shepherd. Sagt Hallo zu Raphael Bertelin, Mä dchen, er wird ab Montag in eure Klasse gehen.«

»Hallo«, murmelten Leslie und ich und Cynthia sagte:»Echt jetzt? «

Raphael grinste uns an, die Hä nde lä ssig in seinen Hosentaschen versteckt. Er sah Gideon wirklich ziemlich ä hnlich, auch wenn er ein bisschen jü nger war. Seine Lippen waren voller und seine Haut hatte einen bronzefarbenen Ton, so als kä me er gerade von einem vierwö chigen Karibikurlaub. Wahrscheinlich sahen die glü cklichen Menschen da unten in Sü dfrankreich alle so aus.

»Warum wechselst du mitten im Schuljahr die Schule? «, fragte Leslie.»Hast du was ausgefressen? «

Raphaels Grinsen wurde breiter.»Kommt darauf an, was du darunter verstehst«, sagte er.»Eigentlich bin ich hier, weil ich von Schule die Nase voll hatte. Aber aus irgendwelchen Grü nden...«

»Raphael ist aus Frankreich hierhergezogen«, fiel ihm Mr Whitman ins Wort.»Komm jetzt, Raphael, Direktor Gilles wartet.«

»Bis Montag dann«, sagte Raphael und ich hatte das Gefü hl, dass er es ausschließ lich zu Leslie sagte.

Cynthia wartete, bis Mr Whitman und Raphael in Direktor Gilles' Bü ro verschwunden waren, dann streckte sie beide Hä nde zur Decke und rief:»Danke!! Danke, lieber Gott, dass du meine Gebete erhö rt hast.«

Leslie stieß mir den Ellenbogen in die Rippen.»Du siehst aus, als wä re dir gerade ein Bus ü ber den Fuß gefahren.«

»Warte, bis ich dir erzä hle, wer das ist«, flü sterte ich.»Dann siehst du auch so aus.«

Jede Zeit ist eine Sphinx, die sich in den Abgrund stü rzt, sobald man ihr Rä tsel gelö st hat.

(Heinrich Heine)

 

 


Durch die Begegnung mit Gideons kleinem Bruder und dem anschließ enden hastigen Gesprä ch mit Leslie (sie fragte zehnmal»Bist du sicher? «, ich sagte zehnmal»Absolut sicher! «, dann sagten wir beide noch an die hundertmal»Wahnsinn«und»Ich fasse es nicht«und»Hast du seine Augen gesehen? «) kam ich etliche Minuten nach Charlotte zu der wartenden Limousine. Wieder war Mr Marley geschickt worden, um uns abzuholen, und er schien nervö ser denn je. Xemerius hockte auf dem Autodach und fegte seinen Schwanz hin und her. Charlotte saß bereits im Fond und sah mich gereizt an.»Wo zur Hö lle warst du denn so lange? Einen Giordano lä sst man nicht warten. Ich glaube, dir ist ü berhaupt nicht klar, was fü r eine groß e Ehre es fü r dich ist, dass er dich unterrichtet.«

Mr Marley komplimentierte mich mit betretenem Gesichtsausdruck in den Wagen und schloss die Tü r.

»Ist irgendwas? «Ich hatte das ungute Gefü hl, etwas Wichtiges verpasst zu haben. Charlottes Miene bestä rkte mich nur darin.

Als der Wagen sich in Bewegung setzte, ließ Xemerius sich durch das Dach ins Wageninnere gleiten und auf den Sitz mir gegenü ber plumpsen. Mr Marley hatte wie beim letzten Mal vorne neben dem Fahrer Platz genommen.

»Es wä re schö n, wenn du dir heute mehr Mü he geben kö nntest«, sagte Charlotte.»Fü r mich ist das alles entsetzlich peinlich. Du bist schließ lich meine Cousine.«

Ich musste laut auflachen.»Ach, komm schon Charlotte! Bei mir musst du doch nicht so heucheln. Es ist das reinste Vergnü gen fü r dich, dass ich mich so dumm anstelle! «

»Das ist nicht wahr! «Charlotte schü ttelte den Kopf.»Das ist wieder typisch fü r dich, dass du so was denkst, in deiner kindischen Selbstbezogenheit. Alle wollen dir nur helfen, damit du... nicht alles kaputt machst mit deiner Unfä higkeit. Obwohl - vielleicht wirst du ja jetzt keine Gelegenheit mehr dazu haben. Ich kö nnte mir vorstellen, dass sie alles abblasen...«

»Weswegen das denn? «

Charlotte sah mich eine Weile schweigend an, dann sagte sie in beinahe schadenfrohem Tonfall:»Das wirst du schon noch frü h genug erfahren. Wenn ü berhaupt.«

»Ist etwas passiert? «, fragte ich, aber ich wandte mich nicht an Charlotte, sondern an Xemerius. Ich war ja nicht blö d.»Hat Mr Marley etwas erzä hlt, als ich noch nicht hier war? «

»Nur kryptisches Zeug«, sagte Xemerius, wä hrend Charlotte die Lippen zusammenkniff und aus dem Fenster sah.»Offensichtlich gab es einen Zwischenfall bei einem Zeitsprung heute Morgen von ä h Funkelsteinchen...«Er kratzte sich mit dem Schwanz die Augenbraue.

»Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen! «

Charlotte, die verstä ndlicherweise dachte, ich redete mir ihr, sagte:»Wenn du nicht zu spä t gekommen wä rst, wü sstest du's.«

»... Diamant«, sagte Xemerius.»Jemand hat ihn... tja, wie drü cke ich mich am besten aus? Jemand hat ihm wohl eins ü ber die Rü be gebraten.«

Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen.»Was? «

»Reg dich bloß nicht auf«, sagte Xemerius.»Er lebt ja noch. Jedenfalls habe ich das aus dem aufgeregten Gestammel des Rothaarigen geschlossen. Ach du liebe Gü te! Du bist ja weiß wie ein Bettlaken. Oh, oh - du wirst doch jetzt nicht kotzen? Reiß dich bitte ein bisschen am Riemen.«

»Ich kann nicht«, flü sterte ich. Mir war wirklich todschlecht.

»Du kannst was nicht? «, zischte Charlotte.»Das Erste, das ein Genträ ger lernt, ist, seine eigenen Bedü rfnisse zurü ckzustellen und sein Bestes fü r die Sache zu geben. Du dagegen machst das Gegenteil.«

Vor meinem inneren Auge sah ich Gideon blutü berströ mt am Boden liegen. Das Atmen fiel mir schwer.

»Andere wü rden alles dafü r tun, um von Giordano unterrichtet zu werden. Und du tust so, als wü rde man dich damit quä len.«

»Ach, halt doch einfach mal die Klappe, Charlotte! «, rief ich.

Charlotte drehte sich wieder zum Fenster. Ich begann zu zittern.

Xemerius streckte eine seiner Klauen aus und legte sie begü tigend auf mein Knie.»Ich werde sehen, was ich herausbekomme. Ich finde deinen Knutschfreund und erstatte dir dann Bericht, in Ordnung? Aber heul jetzt bloß nicht! Ich rege mich sonst nur auf und spucke Wasser auf diese guten Lederpolster und dann denkt deine Cousine, du hä ttest dir in die Hose gemacht.«

Mit einem Ruck verschwand er durch das Autodach und flog davon. Es dauerte eineinhalb quä lende Stunden, bis er endlich wieder an meiner Seite auftauchte.

Eineinhalb Stunden, in denen ich mir die schrecklichsten Dinge ausmalte und mich mehr tot als lebendig fü hlte. Es machte die Sache nicht besser, dass wir in der Zwischenzeit in Temple angekommen waren, wo der unerbittliche Meister schon auf mich lauerte. Aber ich war weder in der Lage, Giordanos Ausfü hrungen zum Thema Kolonialpolitik zu lauschen, noch Charlottes Tanzschritte nachzuahmen. Was, wenn Gideon wieder von Mä nnern mit Degen ü berfallen worden war und sich dieses Mal nicht hatte wehren kö nnen? Wenn ich ihn nicht gerade blutü berströ mt am Boden liegen sah, stellte ich mir vor, wie er auf der Intensivstation an tausend Schlä uche angeschlossen in einem Bett lag und weiß er war als das Laken. Warum war denn niemand da, den ich fragen konnte, wie es ihm ging?

Da endlich kam Xemerius direkt durch die Wand ins Alte Refektorium geflogen.

»Und? «, fragte ich, ohne Rü cksicht auf Giordano und Charlotte. Sie waren gerade dabei, mir beizubringen, wie man auf einer Soiree im 18. Jahrhundert Beifall klatschte. Natü rlich auf jeden Fall ganz anders, als ich es tat.

»Das ist backe backe Kuchen, dummes Ding«, sagte Giordano.»So klatschen Kleinkinder im Sandkasten, wenn sie sich freuen... Wo guckt sie denn jetzt schon wieder hin? Ich werde wahnsinnig! «

»Alles in bester Ordnung, Heuhaufenmä dchen«, sagte Xemerius und grinste dabei frö hlich.»Der Junge hat was auf den Kopf gedonnert bekommen und war ein paar Stü ndchen auß er Gefecht gesetzt, aber wie es aussieht, hat er einen diamantenharten Schä del und nicht mal eine Gehirnerschü tterung. Und diese Wunde an der Stirn macht ihn irgendwie... ä h... oh, nein, nicht schon wieder blass werden! Ich sagte doch, es ist alles in Ordnung! «

Ich holte tief Luft. Vor Erleichterung war mir ganz schwindelig.

»So ist es gut«, sagte Xemerius.»Kein Grund zum Hyperventilieren. Loverboy hat noch alle seine hü bschen weiß en Zä hne. Und er flucht die ganze Zeit vor sich hin, ich nehme an, das ist ein gutes Zeichen.«

Gott sei Dank. Gott sei Dank. Gott sei Dank.

Wer allerdings kurz vor dem Hyperventilieren stand, war Giordano. Meinetwegen. Plö tzlich machte mir sein Herumgekreische nichts mehr aus. Ganz im Gegenteil, es war eigentlich recht amü sant zu beobachten, wie die Hautfarbe zwischen seinen Bartlinien von Dunkelrosa ins Violette wechselte.


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